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„Crooks“ auf Netflix: Ein deftiges Lebenszeichen aus Wien

Zwei Charakterköpfe als ungleiches Gespann: Joseph (Christoph Krutzler) und Charly (Frederick Lau) werden in „Crooks“ zu unfreiwilligen Komplizen.
Zwei Charakterköpfe als ungleiches Gespann: Joseph (Christoph Krutzler) und Charly (Frederick Lau) werden in „Crooks“ zu unfreiwilligen Komplizen. Netflix
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Der österreichische Regisseur Marvin Kren lässt in „Crooks“ Clans aus Berlin und Wien aufeinander los. Eine Serie mit starken Charakteren und einer Schwäche für Wien.

Der Schatz lag in einem Kartoffelacker, bevor er im Museum landete: Eine wertvolle Goldmünze mit dem Konterfei von Katharina der Großen aus dem Jahr 1780. Das ist im Museum ein Stück, an dem man womöglich einfach vorbeiläuft, wenn man nicht gerade der Numismatik verfallen ist. Umso erstaunlicher, dass dieses kleine Ding binnen weniger Stunden einen Bandenkrieg auslöst, der bald die Unterwelt in Wien, Berlin, Marseille und Genua beschäftigt.

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Und die sind wahrlich nicht zimperlich in ihren Methoden, wenn sie etwas haben oder sich rächen wollen. Bald brennen Menschen wie Fackeln, während sie von einem Pferd über die Rennbahn geschliffen werden. Und wenn der „Rote“ in Wien bei der „Rettung“ anruft, dann schlägt der Sanitäter, im Nebenjob Auftragskiller, unter dem Hakenkreuz die Hacken zusammen, um dann jemanden zu entsorgen, der sich in der Wiener Unterwelt gerade unbeliebt gemacht hat.

Zwei Gauner, denen übel mitgespielt wird

Mittendrin: Zwei Kleinkriminelle, die vom Strudel der einander zerfleischenden Verbrecherclans mitgerissen werden. Charly, der Safeknacker aus Berlin, hat seine fragwürdige Karriere nach dem Knast für Frau und Kind an den Nagel gehängt. Er ist ein Biedermann auf Abwegen, nachdem er mit erpresserischen Methoden wieder angeheuert wird, um besagte Münze zu klauen. Auch der hemdsärmelige Joseph aus Wien hat das Herz im Grunde am rechten Fleck. Er sieht aus wie ein gemütlicher Würstelmann, ist trockener Alkoholiker, arbeitet als Fahrer und verprügelt Machos, wenn sie seine Freundin im Sexclub zu etwas zwingen, das sie nicht will. Erst als Charly und Joseph darauf kommen, dass beiden übel mitgespielt wird, wachsen sie zu einem Team zusammen.

Charakterköpfe und regionales Flair

Nach diesen beiden Gaunern ist die neue Serie des österreichischen Regisseurs Marvin Kren benannt: „Crooks“ ist schon seine zweite Arbeit für den Streaming-Riesen Netflix. Während Sky beschlossen hat, keine deutschen fiktionalen Serien mehr zu produzieren (mit „Helgoland 513“, das soeben angelaufen ist, soll Schluss sein), setzt Netflix mit dieser Produktion auf regionales Flair, prägnante Sprachfärbungen und einen Regisseur, der eine sehr gute Hand für Schauspieler hat, die sich zum Charakterkopf eignen.

In diesem Fall sind das neben Grimme-Preisträger Frederick Lau (Charly) und Christoph Krutzler (Joseph) vor allem auch der mittlerweile verstorbene Regisseur Karl Welunschek, der hier als Schauspieler noch einen wunderbaren Auftritt hat und als „der Rote“ eindrucksvoll zwischen üblem Despotentum und ängstlichem Buckeln mäandert.

Da hilft kein „so sind wir nicht“

Das ist so Wienerisch, dass es fast schon lustig ist. Und wenn Joseph sich im fernen Berlin nur noch mehr reinreitet, weil er versucht, eine Polizistin mit einem Fünfziger zu bestechen, wie er es aus Wien gewohnt ist, dann bleibt einem auch der Widerspruch im Hals stecken. Da hilft kein „so sind wir nicht“.

Sprachlich wird es für unsere deutschen Nachbarn vermutlich schwierig. Denn Kren macht zum Glück keine Kompromisse: Wenn schon Wien, dann bitte auch in vollem Dialekt. Und so derb, wie man es aus diesem zwielichtigen Milieu erwarten kann. „Sog amoi, ham’s da ins Hirn g’schissn?“, äußert der „Rote“ unverblümt seine Unzufriedenheit. Ein anderes Mal bekommen es „diese deppaten Piefke“ ab. Da kann man sich schon ausdenken, wie der Berliner Zuschauer auf dem Fernsehsofa zusammenzuckt und verständnislos ausruft: „Wat?“ Aber vielleicht wird ja auch untertitelt.

Eine vortreffliche Musikliste

Vortrefflich gelungen ist auch die Auswahl der Songs: Zitherklänge begleiten den Wiener Bandenkönig, der in seinem zur Palliativstation aufgemotzten Wienerwald-Domizil auf sein baldiges Ende wartet. „Haben Sie Wien schon bei Nacht gesehen?“, trällert Rainhard Fendrich aus Josephs Autoradio, während er seine Freundin in den Klub kutschiert. Und auch eine Referenz an den früh verstorbenen Hansi Dujmic findet sich auf Musikliste. Diese Serie ist ein starkes – und deftiges – Lebenszeichen aus Wien, das in die oft zu glattgestriegelte Streaming-Welt hinausgeschickt wird.

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