Biomaterial

Knusprige Chips und frische Schoko werden nach dem Vorbild von Pflanzensamen verpackt

Das Projekt „Seed coats as inspiration for sustainable packaging“ wird von der Volkswagen Stiftung mit 1,2 Millionen Euro gefördert.
Das Projekt „Seed coats as inspiration for sustainable packaging“ wird von der Volkswagen Stiftung mit 1,2 Millionen Euro gefördert.Michaela Eder
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Pflanzen schützen ihre Samen besser als jede künstlich produzierte Verpackung. Ein Team aus Salzburg und Potsdam holt sich Ideen aus der Natur, um Kunststoff- und Aluschichten ähnlich wie Samenkapseln zu gestalten. Das soll auch das Recycling vereinfachen.

Für Pflanzen ist es lebensnotwendig, die Babys zu schützen. Samenschalen sind Wunderwerke der Natur, die den Embryo (ja, so heißt der Keimling) vor widrigen Einflüssen bewahren. Michaela Eder und John Dunlop schauen sich diese Strukturen aus materialwissenschaftlicher Sicht genauer an. „Es geht einerseits um Bioinspiration, also darum, aus der Natur Ideen zu holen, die uns für Verpackungen im Alltag helfen“, sagt Dunlop von der Uni Salzburg. „Andererseits wollen wir auch verstehen, wie die Keimung stattfindet. Welche Chancen haben Pflanzen und ihre Samen, wenn sich das Klima noch stärker ändert?“

Seine Partnerin Michaela Eder leitet das Projekt am Max-Planck-Institut für Kolloid- und Grenzflächenforschung in Potsdam. Gemeinsam mit dem Ökologen Andreas Tribsch der Uni Salzburg bekamen sie kürzlich die Zusage zu einer Forschungsförderung über 1,2 Millionen Euro von der deutschen Volkswagen-Stiftung.

Die Idee kam in Australien bei Banksien-Pflanzen

„Auf die Idee bin ich ursprünglich in Australien gekommen, im Heimatland von John: Dort gibt es Pflanzen wie die Banksien, deren Samen bis zu 15 Jahre geschützt auf der Pflanze überdauern. Erst wenn ein Feuer kommt, öffnen sie sich ein bisschen. Und beim nächsten Regen geben die Kapseln die Samen frei“, sagt Eder. Da diese Banksien-Kapseln aber sehr dick sind, eignen sie sich nicht so gut als Inspiration zur Entwicklung von Verpackungsmaterial. „Wir brauchen eher Strukturen, die dünner sind. Wie passen sich dünne Samenschalen und Kapseln an unterschiedliche Umweltbedingungen an? Es ist so spannend, wie gut Keimlinge gegen Extreme geschützt sind: gegen Hitze, Salz, Kälte, Feuchtigkeit“, sagt Eder.

Das Team mit John Dunlop, Michaela Eder und Andreas Tribsch (v. l.) nimmt dünne Samenkapseln als Vorbild für Verpackungen, die gegen Luft und Feuchte dicht sind.
Das Team mit John Dunlop, Michaela Eder und Andreas Tribsch (v. l.) nimmt dünne Samenkapseln als Vorbild für Verpackungen, die gegen Luft und Feuchte dicht sind.Kolarik Andreas

Die Extrempositionen interessieren die Technikforschenden: „Wenn wir verstehen, wie das funktioniert, können wir Entwicklung und Design von resistenten Materialien besser planen“, erklärt Eder weiter. Und Dunlop fügt hinzu: „Eine Pflanze schafft es zum Beispiel, dass der Embryo nicht durch entstehende Eiskristalle oder durch UV-Strahlung geschädigt wird. Das erfordert einen besonderen Aufbau der Samenschale wie Wasserdichtheit oder Schutz gegen freie Radikale.“ So ist die Hoffnung, durch die Methode der Pflanzen einen Weg zu finden, verschiedene Produkte ähnlich dicht und sicher zu verpacken.

Derzeit sind Verpackungen aus Kunststoff und Alu

„Derzeit sind Verpackungen, die Chips knusprig und die Schokolade frisch halten, mit dünnen Schichten aufgebaut, die aus Kunststoffen und Aluminium bestehen. Sie sind beim Recycling schwierig zu trennen. Sinnvoller wäre es, Verpackungen zu machen, bei denen die einzelnen Materialien getrennt recycelt werden können“, sagt Dunlop. Anfangs fokussiert das Projekt darauf, Methoden zu etablieren, um die Wunderwerke der Samenschalen zu verstehen.

„Wir erforschen alpine und hochalpine Pflanzen, die monatelang unter Schnee liegen, und starten jetzt im Frühling unsere Experimente im Feld“, sagt Eder, die mit Dunlop immer gern in die Berge geht. „Unser Hausberg ist der Untersberg, aber dort haben wir keine Messungen mit unseren Sensoren geplant, weil zu viele Menschen dort herumlaufen“, lacht Eder.

Bei den Messungen im Gebirge wird auf Höhengradienten geachtet, um die Anpassungen an Temperatur und Schneedecken zu verstehen. „Ebenso wichtig ist das Mikroklima, also ob eine Pflanze in einer Mulde, auf einer Schattenseite oder an einer Kante stark exponiert wächst“, erklärt Eder. Im Labor wird dann die Entwicklung der Samenschichten nachvollzogen: Wie bildet sich Resistenz gegen Feuchte, Hitze, Kälte oder Eis? „Wir haben mit vielen Pflanzenexperten gesprochen und die alte und neue Literatur durchforstet, aber bisher hat niemand die Materialien der Samenschalen darauf untersucht, wie sie diese optimale Verpackung der Samen hinkriegen“, erzählt Eder.

Klimaänderung und Gesetzgebung

„Ein Aspekt ist, wie biologisches Material damit zurechtkommt, dass sich das Klima ändert“, sagt Dunlop. Doch auch EU-Gesetze bringen die Forschenden dazu, neue Möglichkeiten im Verpackungswesen zu studieren. „Denn bestimmte Kunststoffe werden verboten. Wir suchen Alternativen, die den Transport von Wasser und Sauerstoff verhindern und sich auch gut recyceln lassen“, sagt Dunlop.

Lexikon

Als Polsternelke bekannt ist das stängellose Leimkraut (Silene acaulis). Die Pflanze wächst in der hochalpinen Region in Mitteleuropa. Sie liegt circa zehn Monate lang unter Schnee und dient jetzt als Vorbild für die Schutzfunktion von Biomaterial.

Das Projekt „Seed Coatings as inspiration for sustainable packaging“ wird von Michaela Eder am Max-Planck-Institut in Potsdam geleitet und mit John Dunlop und Andreas Tribsch von der Paris Lodron Uni Salzburg durchgeführt.

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