Baugeschichte

Kleingartenhaus: „Platz ist in der kleinsten Hütte“

Als Sommerrefugium geplant, dient das Haus im Miniaturformat der Familie zum Entspannen.
Als Sommerrefugium geplant, dient das Haus im Miniaturformat der Familie zum Entspannen. Hertha Hurnaus
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Am Stadtrand von Wien befindet sich ein neues Kleingartenhaus, das trotz seiner effizienten Gestaltung vor allem optisch und räumlich einiges hermacht.

Das kleine Stück vom Glück im Grünen wird oft gesucht, aber im Wiener Stadtgebiet selten gefunden. Anders bei Ernst Kainmüller, der vor genau vier Jahren die lang erhoffte Nachricht von einer Maklerin über eine zum Verkauf stehende Kleingartenparzelle in Wien Hernals erhielt. Auf der Michaelerwiese, unweit von der Höhenstraße und dem Neuwaldegger Bad ergriff der Bauklimatik-Geschäftsführer mit seiner Familie die Chance: „Für 250.000 Euro kauften wir wenige Tage vor dem ersten Corona-Lockdown das circa 400 Quadratmeter große Grundstück samt sanierungsbedürftiger Hütte.“

Prompt reagierte der befreundete Architekt Clemens Kirsch, und zwar mit einem ersten Entwurf für das neue Kleingartenhaus. „Wir wollten unbedingt die Natur ins Haus holen“, erläutert Kirsch die Pläne für die Bebauung des Grundstücks in leichter Hanglage, das an einen kleinen Bach grenzt.

Flexibler denken

Nicht größer als 35 Quadratmeter und maximal fünf Meter hoch darf das Neo-Kleingartenhaus sein, so die baulichen Vorschriften. Und dieser Herausforderung stellten sich Bauherr und Architekt– mit dem Ergebnis, ein „kleines Haus visuell groß gemacht zu haben“, beschreibt Kirsch die nun fertiggestellte Villa Minimale. „Die üblichen Herangehensweisen wurden bei der Planung trotz all der vielen Vorschriften über Bord geworfen, um flexibler im Denken zu sein“, schildert Kirsch sein Konzept für ein modernes Kleingartenhaus.

Als große bauliche Inspirationsquelle nennt der Architekt zwei Gebäude: einerseits die Renaissance-Villa La Rotonda (von Andrea Palladio) bei Vicenza, die unter anderem einen zentralen Raum („Rotunde“) hat. Ein ähnliches Konzept wurde beim Bau der Villa Minimale angewendet: Durch den runden Einschnitt in der Decke des Wohnraums erhält der Essbereich, der sich im Zentrum befindet, „mehr Luftraum nach oben“, sagt Kirsch. Auch wenn dadurch tatsächliche Wohnfläche verloren ging, so gewinne das Haus auf jeden Fall an gefühlter Größe. Und ganz salopp gesagt: „Platz ist in der kleinsten Hütte“.

Und andererseits wäre da noch das Kings Road House, das dem Architekten als Vorbild für die Villa Minimale diente. Das auch als Schindler House bekannte Gebäude wurde 1922 nach den Plänen des in Wien geborenen Architekten Rudolph Michael Schindler erbaut und besteht aus zwei miteinander verbundenen L-förmigen Wohnungen, die einen offenen Grundriss aufweisen und den Innen- und Außenraum miteinander verknüpfen. Bei der im Kleingartenverein Michaelerwiese stehenden Objekt lassen sich durchaus Parallelen zu dem berühmten Architektenhaus in Westhollywood dingfest machen.

Im Erdgeschoß der Villa Minimale angekommen, finden Bad, Küche und eine Kuschelnische ihren Platz. Im Obergeschoß schaffen flexibel nutzbare Schlafkojen mit jeweils vier Quadratmetern „Camping-Feeling“. Die Dachfenster können weit geöffnet werden, und man hat in der Nacht einen Blick auf den Sternenhimmel. „Geschützt, aber doch so, als würde man im Freien schlafen“, erzählt Kirsch.

Meditativer Rückzugsort

Als „Gebäude-Clou“ bezeichnet Kainmüller den Grundriss in Form von Windradschaufeln. Wobei an die quadratische Grundfläche und somit an den vier Seiten jeweils hölzerne Nischen anschließen. „Dadurch sind unterschiedliche Atmosphären im Inneren möglich“, erzählt Kainmüller. Für ihn sei die Villa ein „meditativer Rückzugsort“ – Sonnenuntergänge auf der Terrasse sowie das eigene Musikzimmer im Keller inklusive.

Die „zurückhaltende Eleganz“ des mit dem German Design Award in der Kategorie Excellent Architecture ausgezeichneten Kleingartenhauses resultiere aus seinem Äußeren mit rot lasierten Lärchenholzlatten und dem rostroten Kupferdach. Und im Inneren: furnierte Tischlerplatten sowie Böden aus Natursteinplatten. Neugierige Blicke und Fragen von Nachbarn und Wanderern gebe es genauso wie Anfragen an den Architekten, erzählt der Hausherr stolz.

Eigener Kleingarten – aber wie?

Wer sich in Wien für eine eigene Parzelle interessiert, dem stehen derzeit laut der Wiener Magistratsabteilung 19 (Architektur und Stadtgestaltung) folgende Möglichkeiten offen: Ein Kleingartengrundstück kann einerseits direkt von dem bisherigen Liegenschaftseigentümer oder dem Zentralverband der Kleingärtner als Unterpächter gepachtet werden. Andererseits finden sich immer wieder zum Verkauf ausgeschriebene Kleingärten auf den gängigen Immobilienplattformen. Mehr Infos unter: www.kleingaertner.at

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