Pizzicato

Von Finsternissen und Beben, Wodka und Unterhosen

Darkness falls across the land, as time flies by. Ein Flugzeug vor dem Hintergrund der großen Sonnenfinsternis, hier über New Jersey.
Darkness falls across the land, as time flies by. Ein Flugzeug vor dem Hintergrund der großen Sonnenfinsternis, hier über New Jersey.Getty Images / Mike Coppola
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Ein seltenes Erdbeben in New York, eine seltene Sonnenfinsternis über Nordamerika. Da war zuletzt einiges los dort drüben, und es bricht Erinnerungen an andere Weltgegenden auf.

Hui, welch aufregende Tage hat unsere Korrespondentin in den USA wieder einmal gehabt! Und das ganz ohne Donald Trump, Joe Biden oder einen Hurrikan. Erst hatte sie am Freitag ein für New Yorker Verhältnisse ungewöhnlich kräftiges Erdbeben durchgerüttelt, dann waren am Montag in Nordamerika alle wegen der Great North American Eclipse, einer historischen Sonnenfinsternis, aus dem Häuschen. Man sah das Himmelsereignis in den USA, Kanada und Mexiko; so ein Tripel dort gibt‘s nur einmal in diesem Jahrhundert, einer der Gründe des Hypes.

Um beim Erdbeben zu bleiben: So eine Beben-Ersterfahrung kann einen tüchtig schrecken. Ich lag an einem frühen Nachmittag im August 1993, an meinem Geburtstag zufällig, in der israelischen Hafenstadt Eilat am Roten Meer im Hotelbett und machte nach der stundenlangen Busfahrt von Jerusalem her ein Nickerchen. Plötzlich schlug mir jemand oder etwas mehrmals auf den Kopf. Ich schrak hoch und bemerkte, dass es die Kopfseite vom Bettrahmen war, die da auf einmal heftig wackelte. Und als ich sah, dass das ganze Bett wackelte wie ein Boot auf dem Wasser, dass die Lampen schwankten und die Leute draußen auf der Straße verstört dreinschauten, sprang ich auf und rannte nur in Unterhose einigermaßen unentspannt über die Stiegen hinab in die Lobby. Nun ja, da kam damals also ein fesches, athletisches Kerlchen daher, das passte schon. Und das Kreischen in der Lobby konnte man verschieden auslegen. Harhar!

>>> Link zu den damaligen Beben im Süd-Sinai 1993

Dann war da Jahre später die legendäre Sonnenfinsternis über Europa am 11. August 1999. Sie kam am Vormittag vom Atlantik her, streifte Südengland und fuhr über Nordfrankreich, Belgien, Luxemburg, Süddeutschland, Ostösterreich, Ungarn, Rumänien, Bulgarien, zog übers Schwarze Meer und bis Indien. Man machte viel Wirbel deswegen, im deutschsprachigen Raum tönten die Medien bis zur Überdrüssigkeit von der „Sofi“, es gab Sofi-Partys und so, die Jungen kennen das nicht mehr.

Derweil war ich just in der Ukraine, an jenem Tag im rustikal-schäbigen Küstenstädtchen Sudak auf der Halbinsel Krim, ein Kurort, passenderweise zugleich Zentrum der Wein- und Sekterzeugung, mit einer beeindruckenden Festungsanlage der Genueser aus dem 13./14. Jahrhundert.

Durch diese Leitkultur musst du durch

Von Sofi, die man auch dort halbwegs gut sehen konnte, bekam ich aber nix mit, weil ich halb tot in einem glühend heißen Wohncontainer ohne Klimaanlage eines Campingplatzes lag. Es war schon kurz nach Mittag, aber die Sache war nicht zu schaffen. No way. Der Abend zuvor mit einer Gruppe einheimischer Typen und Ladies war etwas entglitten, mit Gitarre und Gesang, Würsten, Salzgurken und Wodka und so – was soll ich sagen. Was hätte ich auch tun sollen? Da musst du durch diese Leitkultur einfach durch als Gast.

Ob unter den Leuten an jenem Abend auch Russen waren, weiß ich nicht mehr. Mindestens zwei der Burschen waren im Militär, bei der Flugabwehr, aber ob das bei den Ukis oder bei der russischen Schwarzmeerflotte war, ist mir leider auch entfallen. Meine damalige Freundin, eine Russisch-Übersetzerin, lag an dem Abend wegen einer Unpässlichkeit nieder, also machte ich Russisch/Ukrainisch-Anfänger den flüssigen Crashkurs mit dem hochgeistigen Lehrbuch und war später am Abend vermutlich in etwa auf Gogol-Niveau.

Jessas, waren die Zeiten damals schön. Viel lockerer. Unkorrekter. Und sogar friedlich. Heute bebt und verfinstert es sich an diesen Orten, und anderswo auch, aus anderen Gründen. (wg)

E-Mails an: wolfgang.greber@diepresse.com

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