Frauenpolitik

Polens Parlament debattiert über Liberalisierung des drakonischen Abtreibungsrechts

Demonstrantinnen in Warschau fordern ein liberaleres Recht auf Abtreibung.
Demonstrantinnen in Warschau fordern ein liberaleres Recht auf Abtreibung.APA / AFP / Sergei Gapon
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Ministerpräsident Tusk will ein wichtiges Wahlversprechen umsetzen. Derzeit sind Schwangerschaftsabbrüche nur nach Vergewaltigung oder Inzest erlaubt. Doch die Koalitionspartner sind
sich über die künftige Regelung uneins.

Das polnische Parlament will sich am Donnerstag mit einer Liberalisierung des Abtreibungsrechts befassen. Die derzeitige Gesetzgebung ist eine der strengsten in der EU. Ministerpräsident Donald Tusk hatte im Wahlkampf versprochen, Frauenrechte zu stärken und den Zugang zu einem Schwangerschaftsabbruch zu erleichtern. „Jede polnische Frau wird selbst über ihre Mutterschaft entscheiden können“, versprach Tusk im Herbst.

Doch in den mittlerweile knapp fünf Monaten, in denen Tusk das Land regiert, ist dieses zentrale Projekt nicht richtig vorangekommen. Denn unter den drei politischen Gruppierungen, aus denen sich Tusks Mitte-Links-Koalition zusammensetzt, herrscht Uneinigkeit über das Thema.

PiS-Regierung hatte Abtreibungsrecht weiter verschärft

Im Jahre 2020 hatte das Verfassungsgericht unter der damaligen nationalkonservativen PiS-Regierung das strenge polnische Abtreibungsrecht noch weiter verschärft. Seitdem ist ein Schwangerschaftsabbruch nur nach einer Vergewaltigung oder Inzest erlaubt - oder wenn das Leben der Schwangeren in Gefahr ist. Weist das ungeborene Kind schwere Fehlbildungen auf, dürfen Frauen keinen Abbruch vornehmen.

In der Folge hatte es in den vergangenen Jahren mehrfach Fälle gegeben, bei denen schwangere Frauen während der Behandlung im Krankenhaus gestorben waren, nachdem sich die Ärzte trotz Komplikationen nicht für eine Abtreibung entschieden hatten.

Tusk fordert Abbrüche bis zur 12. Schwangerschaftswoche

Die drei Koalitionspartner, aus denen sich Tusks Regierung zusammensetzt, haben nun dem Parlament insgesamt vier Gesetzentwürfe zur Liberalisierung des Abtreibungsrechts vorgelegt. Der Entwurf von Tusks liberalkonservative Partei Bürgerkoalition sieht die Legalisierung von Abbrüchen bis zur 12. Schwangerschaftswoche vor. Das Linksbündnis Lewica fordert dasselbe in einer eigenen Novelle. Für den Fall, dass die Liberalisierung scheitert, will Lewica in einem weiteren Antrag zumindest die Strafbefreiung durchsetzen.

Aus der Reihe schert der Dritte im Bunde, der christlich-konservative Dritte Weg. Die Partei schlägt die Rückkehr zur sogenannten Kompromisslösung vor, die bis zum Urteil des Verfassungsgerichts galt. Das würde bedeuten, dass Schwangerschaftsabbrüche in Polen nur nach einem Verbrechen oder bei Gefahr für Schwangere und Fötus legal werden.

Polnischer Parlamentspräsident fordert Referendum

Der polnische Parlamentspräsident Szymon Holownia, einer der Dritte-Weg-Parteichefs, möchte die Bürger in einem Referendum über das Abtreibungsrecht abstimmen lassen. Sein Argument: Sollte ein liberales Abtreibungsgesetz verabschiedet werden, könnte dieses am Veto von Präsident Andrzej Duda scheitern, der der PiS-Partei angehört. Spricht sich die Mehrheit der Bevölkerung hingegen in einem Referendum für eine Lösung aus, wäre der Druck auf Duda größer.

Doch Frauenrechtlerinnen wie Natalia Broniarczyk von der Organisation Abortion Dream Team halten nichts von der Idee. Ein Referendum könnte die Debatte um Jahre zurückwerfen, wenn die Kirche, rechte Parteien und Pro-Life-Organisationen versuchten, die gesellschaftliche Stimmung zu drehen, sagte sie der Zeitung „Gazeta Wyborcza“. In einer Umfrage im November 2022 gaben 70 Prozent der Befragten an, dass sie für das uneingeschränkte Recht auf einen Schwangerschaftsabbruch bis zur 12. Woche seien. (APA/dpa)

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