Schallforschung

Wiener Dialekt: Studie zu Meidlinger L startet

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MeidlingClemens Fabry
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Wie klingt das typische L, wie es etwa die Kunstfigur Mundl Sackbauer beherrscht? Kennt man es auch außerhalb Wiens? Das wollen Forschende in einem Online-Experiment zum Mitmachen eruieren.

Leben. Ludwig. Held. Schale. Glocke. Muschel. Die online abrufbaren Hörbeispiele präsentieren rund zehn Minuten lang verschiedene Varianten derselben Worte mit einem l an unterschiedlicher Position. „Die Idee des Projekts ist, eine wissenschaftliche Studie zum Meidlinger L zu machen. Viele Leute reden darüber, aber es gibt erstaunlich wenig Forschung dazu“, sagt Projektleiterin Eva Reinisch vom Institut für Schallforschung der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW).

Konsonant als Kulturerbe

Frühere Studien befassten sich primär mit der Aussprache des Lauts in verschiedenen Gruppen. Ziel des von der Stadt Wien geförderten Projekts ist jedoch weniger festzustellen, wer es spricht, sondern vielmehr, was die Menschen für das Meidlinger L halten. Ein unverwechselbares l sprechen etwa der Fußballer Hans Krankl oder die Figur des Mundl Sackbauer („Ein echter Wiener geht nicht unter“). Die Junge Generation in der SPÖ Meidling forderte überhaupt in der Kampagne „L wie Meidling. Das ist Weltkultur“, den aus Böhmen und Mähren stammenden, für seine Klangfarbe typischen Konsonanten in das Verzeichnis des immateriellen Kulturerbes in Österreich aufzunehmen.

Denn l ist nicht gleich l. Neben dem Standard-L – dabei wird die Zungenspitze nach oben gebogen, der Luftstrom geht seitlich vorbei – gibt es nämlich noch zwei Varianten, die für das Meidlinger L gehalten werden könnten: Bei einer wird die Zungenspitze noch weiter nach hinten gebogen, bei der zweiten der Zungenrücken noch angehoben. „Wir wollen herausfinden, welche der beiden Varianten das Rennen macht. Hängt das von der Position im Wort ab? Oder von der Hörerin oder dem Hörer? Und: Kennen wirklich alle das Meidlinger L?“, sagt Reinisch. „Es wird immer davon ausgegangen, jeder kennt das.“ Sie habe aber selbst in Wien schon genug Leute getroffen, die damit nichts anfangen können. Insofern sei es auch eine spannende Frage: „Wer kennt es nicht?“

Ein Mischmasch aus vielem

In der Studie werden Unterschiede nach Alter, sozioökonomischem und sprachlichem Hintergrund erfasst – und auch, ob jemand aus einem Bundesland nach Wien zugezogen ist. Die Forscherin selbst ist ein Beispiel dafür, wie individuell sich Sprache formt: Die gebürtige Grazerin wuchs überwiegend in Salzburg auf und studierte dann Allgemeine Sprachwissenschaft in Wien. Anschließend promovierte sie am Max-Planck-Institut für Psycholinguistik in Nijmegen, Niederlande. Als Postdoc arbeitete sie an US-Unis in Atlanta und Pittsburgh und anschließend wieder in Deutschland, wo sie sich an der Ludwig-Maximilians-Universität habilitierte und 2019 die Professur am Institut für Allgemeine Sprachwissenschaften antrat. Im selben Jahr wechselte sie an die ÖAW nach Wien: „Ich spreche ein Mischmasch aus allem, was mir jemals untergekommen ist“, sagt Reinisch lachend.

»„Varianten des Meidlinger L finden wir auch in anderen Teilen Österreichs.“«

Eva Reinisch,

Institut für Schallforschung, ÖAW

Am Institut gibt es mehrere Projekte, die sich mit Dialekt in Österreich beschäftigen. Es sei zudem interessant, ob das, was häufig als typisch Wienerisch erkannt werde, auch außerhalb der Bundeshauptstadt vorkomme: „Varianten des Meidlinger L finden wir auch in anderen Teilen Österreichs.“ Das l mit dem gehobenen Zungenrücken gehe etwa über Niederösterreich bis Oberösterreich hinaus, das mit der nach oben gebogenen Zungenspitze finde man auch in der Steiermark. Mitunter werde das l auch vokalisiert, dann wird aus „zu viel“ etwa „zu vü“. Ein Mitmach-Experiment in dieser Dimension ist jedoch neu. Erreicht werden sollen bis Ende Juni so viele Leute wie möglich. Eine Fortsetzung könnte folgen: Es gäbe noch sehr viele sehr interessante Forschungsfragen zu Dialekten, sagt die Sprachwissenschaftlerin.

Mitmachen unter: projects.ari.oeaw.ac.at/meidlinger-l

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