Rettungsaktion im Pazifik

Schiffbrüchige nach zehn Tagen von einsamer Insel in Mikronesien gerettet

Die aus Palmblättern zusammengesetzte Botschaft, die drei Schiffbrüchigen auf dem mikronesischen Eiland Pikolet das Leben rettete.
Die aus Palmblättern zusammengesetzte Botschaft, die drei Schiffbrüchigen auf dem mikronesischen Eiland Pikolet das Leben rettete.AFP/U.S. Coast Guard
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Drei Männer waren beim Fischen verschwunden. Ein US-Flugzeug fand sie, weil sie mit Palmblättern HELP auf den Strand geschrieben hatten. Vor wenigen Jahren gab es auf derselben Insel einen ganz ähnlichen Fall.

Palikir/Guam/Washington. In den Weiten des Westpazifiks ist ein vermutlich etwas übermütiger Bootsausflug dreier Männer dieser Tage glimpflich zu Ende gegangen. Sie waren am Ostersonntag auf dem Poluwat-Atoll im weit verstreuten Inselstaat Mikronesien auf einem etwa sechs Meter langen, offenen Boot zum Fischen losgefahren. Das Boot hatte einen Außenborder, aber ihre Zielgewässer, wo sie fischen wollten, waren nicht eben um die Ecke, sondern in der Nähe des Inselchens Pikelot, etwa 190 Kilometer im Nordwesten.

Als die Männer nach sechs Tagen nicht zurückgekehrt waren, schlugen Verwandte in Poluwat (etwa 700 Einwohner) Alarm. Man nahm über eine Funkstation Kontakt mit den US-Militäreinrichtungen auf der Pazifikinsel Guam auf. Die ist zwar mehr als 800 Kilometer entfernt im Norden, aber von den Behörden und deren technischen Möglichkeiten in der nächsten mikronesischen Provinzstadt Weno, rund 300 km im Osten, war weniger zu erwarten als von dem US-Stützpunkt. Die Hauptstadt Mikronesiens, Palikir, ist fast 1000 östlich von Poluwat.

Eine Kapelle, ein Brunnen, Kokosnüsse

Tatsächlich waren die drei Ausflügler in Seenot geraten, hohe Wellen hatten das Boot beschädigt und den Motor außer Gefecht gesetzt. Mit Paddeln und dank günstiger Strömungen gelangten sie aber nach Pikelot, eine flache, ovale, mit Palmen dicht bewaldete Koralleninsel, die allerdings unbewohnt und ohne technische Hilfsmittel ist. Sie wurde von westlichen Seefahrern, diesfalls waren es Spanier, vermutlich erst 1801 entdeckt.

Lexikon

Die Föderierten Staaten von Mikronesien sind eine Ansammlung von mehr als 600 Atollen bzw. Inseln im West- und Zentralpazifik nördlich der großen Insel Neuguinea in Äquatornähe. Sie sind nur ein Teil der gleichnamigen, aber weit größeren Inselwelt von Mikronesien, haben zusammen etwa 700 Quadratkilometer Fläche (Wien: ca. 415) und sind längs eines relativ schmalen Bandes über rund 2700 Kilometer in Westostrichtung verteilt. Die meisten Inseln sind flach und nur wenig höher als das Meer, es gibt auch gebirgige Inseln, der höchste Berg ist immerhin 782 Meter hoch. Die Einwohnerzahl beträgt über 100.000, davon vielleicht 6000 im Hauptort Palikir.

Lage der Mikronesischen Föderation
Lage der Mikronesischen FöderationTUBS/gemeinfrei

Besiedelt wurden die Inseln ab etwa 1500 bis 2000 vor Christus von Südostasien aus via Philippinen und Taiwan, es gab mehrere Lokelfürstentümer und viele Einzelherrschaften. Als erste Europäer erreichten Portugiesen und Spanier Mitte der 1520er einige der Inseln, von denen eine große Gruppe auch als „Karolinen“ bekannt ist. Das Gros davon wurde spanische Kolonie, Ende des 19. Jahrhunderts an Deutschland verkauft und im Ersten Weltkrieg von Japan besetzt. Im Zweiten Weltkrieg von den USA erobert, verblieben die Inseln als UN-Treuhandgebiet unter US-Verwaltung. 1979 wurde eine Republik ausgerufen, die Unabhängigkeit erfolgte in zwei vertraglichen Schritten 1986 und 1990. Im UN-Index der menschlichen Entwicklung lag die Föderation zuletzt auf Rang 135 von 191 Ländern, nach Indien und vor Guatemala. Haupterwerbsquellen sind Fischerei, Landwirtschaft, Hilfsgelder und etwas Tourismus.

Es gibt auf Pikelot eine christliche Kapelle und immerhin einen Brunnen mit Süßwasser, denn das Eiland wird ab und zu von Segel- und Fischerbooten zum Rasten angelaufen. Die Batterien für das Funkgerät waren allerdings leer, bevor die Männer einen Notruf absetzen konnten.

Die Amerikaner begannen am 6. April eine Suchaktion mit einem großen P-8 „Poseidon“-Seeaufklärer, der aber nicht von Guam kam, sondern von der noch viel ferneren japanischen Insel Okinawa, fast 3000 km nordwestlich von Pikelot. Das Suchgebiet, das man gemäß der Informationen eingrenzte, war enorm groß, anfangs fast 270.000 Quadratkilometer, mehr als die dreifache Fläche Österreichs.

Boeing P-8 Poseidon der U.S. Navy
Boeing P-8 Poseidon der U.S. NavyTataquax/CC BY-SA 2.0

Und doch hatte man Glück: Schon am 7. April sah man vom Flieger aus, dass auf dem weißen Sandstrand von Pikelot (Fläche der Insel: etwa 0,1 Quadratkilometer) mit Palmblättern gut sichtbar die Botschaft „HELP“ geschrieben war. Das habe den Männern das Leben gerettet, hieß es später seitens der US-Küstenwache.

Aus dem großen Flugzeug, das auch zur Jagd nach U-Booten eingesetzt werden kann, wurden Nothilfspakete abgeworfen. Am nächsten Tag warf ein anderes US-Flugzeug ein Funkgerät ab, am 9. April lief das US-Küstenwachschiff „Oliver Henry“ Pikelot an, nahm die Gestrandeten auf und fuhr sie zu ihrem Atoll Poluwat zurück. Sie hatten sich in der Zwischenzeit vor allem von Kokosnüssen ernährt.

Zufälliges Verwandtschaftstreffen

Beim Zusammentreffen mit den Männern trugen sich noch nette Szenen zu. Einer der Unteroffiziere des Coast-Guard-Schiffs, Petty Officer 2nd Class Eugene Halishlius, ist selbst ein Mikronesier und spricht die gleiche Sprache wie die Schiffbrüchigen, er kommt sogar aus deren weiterer Region. Doch dem nicht genug: Halishlius ist mit den Geretteten entfernt verwandt. „Was für eine verrückte Welt“, sagte er im Gespräch mit US-Medien. Demnach sei einer der Männer ein Cousin dritten Grades (die Verwandtschaft verläuft über Geschwister der Urgroßeltern), die anderen sind Cousins vierten Grades.

Im August 2020 hatte sich übrigens ein ganz ähnlicher Vorfall ereignet. Damals strandeten auf Pikelot drei andere männliche Mikronesier, die per Boot unterwegs waren. Auch sie benützten Palmblätter als Buchstaben für eine Botschaft auf dem Strand, wurden aber schon nach drei Tagen von einem US-Suchflugzeug entdeckt, das aus Guam gekommen war und ein in der Nähe befindliches australisches Kriegsschiff zu der Insel schickte.

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