Wort der Woche

Wie Welt wird uns zu klein

In 30 Jahren wird der ökologische Fußabdruck der meisten Länder der Erde viel zu groß für die zur Verfügung stehenden Bioressourcen sein, sagt eine Langzeitprognose. 

Prognosen sind schwierig, besonders wenn sie die Zukunft betreffen. Von wem dieses treffende Bonmot stammt, ist unklar – zugeschrieben wird es u. a. Winston Churchill, Nils Bohr, Mark Twain oder auch Karl Valentin. Richtig ist jedenfalls, dass Prognosen, die die gegenwärtigen Trends einfach in die ferne Zukunft fortschreiben, nicht funktionieren – so irrte etwa die „Times“, als sie 1894 voraussagte, dass angesichts der steigenden Zahl von Pferdefuhrwerken „in 50 Jahren jede Straße in London unter einer neun Fuß dicken Schicht Mist begraben sein wird”. Dies passierte nicht, weil Automobile die Pferdekutschen ablösten.

Allerdings sind manche Strukturen sehr dauerhaft, sodass aktuelle Trends gewisse Schlüsse für die Zukunft zulassen – zumindest dann, wenn man absehbare Veränderungen wichtiger Einflussgrößen berücksichtigt. Rafael Eufrasio Espinosa und Lenny Koh (University of Sheffield) haben für ihre eben in „Scientific Reports“ (online 9. 4.) erschienene Studie drei moderne Prognoseverfahren kombiniert, um die Entwicklung des „ökologischen Fußabdrucks“ der Menschheit abzuschätzen. Dieser beziffert, wie viel Fläche ein Mensch in einer gewissen Region benötigt, um seinen Ressourcenbedarf zu decken – und ob die Biokapazität dafür ausreicht. Konkret wurden seit 1961 vorliegende Zeitreihen der G20-Staaten weitergeführt, wobei u. a. Bevölkerungsdynamik, Wirtschaftswachstum und Veränderungen des Energieverbrauchs berücksichtigt wurden.

Das Ergebnis erschüttert: Während die zehn weniger entwickelten Länder der G20 heute typischerweise mit ihren Bioressourcen auskommen, wird das 2050 nur mehr bei drei (Brasilien, Argentinien, Russland) der Fall sein. Von den zehn Industrieländer, die heute schon ihre natürlichen Grenzen überschreiten, wird 2050 nur eines (Kanada) nachhaltig sein. Interessant ist, dass die Gründe für diese Malaise sehr unterschiedlich sind: In manchen Staaten ist die Bevölkerungsdynamik hauptverantwortlich, in anderen das Wirtschaftswachstum, in wieder anderen die Umweltgesetzgebung.

Man darf natürlich – siehe Eingangszitat – skeptisch sein, ob solche Langzeitprognosen ernst zu nehmen sind. Denn in 30 Jahren kann viel Unvorhergesehenes passieren. Doch die Analyse unterstreicht einen wichtigen Punkt: Mit einem einzigen „Kochrezept“ kann man die Welt nicht durchgehend nachhaltigerer machen – vielmehr sind unterschiedliche Strategien nötig, die die regionalen Gegebenheiten und Entwicklungen berücksichtigen.

Der Autor leitete das Forschungsressort der „Presse“ und ist nun Wissenschaftskommunikator am AIT.

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