Gastkommentar

Die wunderbare Welt des Bitcoin

Peter Kufner
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Selbst Bitcoin-Anhänger gestehen, dass der Bitcoin als breitflächiges Zahlungsmittel untauglich ist. Worauf mehr zu achten wäre.

Gehört Larry Fink wieder zu Peter Thiels Freunden? Den Chef des Vermögensverwalters Blackrock hatte Thiel 2022 noch einen Feind genannt. Nun aber hat Blackrock mit der Auflage seines ETFs dem Bitcoin einen kräftigen Kurs- und Reputationsgewinn verpasst. Auch „Die Presse“ berichtet regelmäßig über Bitcoin. Aber wenige Menschen verstehen die Technologie hinter Bitcoin und der Blockchain und deren potenzielle wirtschaftliche Auswirkungen.

So klingt es verlockend, die aktuell hohe Inflation zu umgehen, indem man auf Bitcoin setzt, dessen Gesamtmenge über die 21 Millionen nicht erhöht werden kann. Wäre eine Welt mit Bitcoin als alleiniges Zahlungsmittel denkbar, dann gäbe es darin eher Deflation, also eine Abnahme der Warenpreise in Bitcoin. Es wäre eine Welt, in der die Oligarchen Wale hießen (Peter Thiel könnte einer davon sein), die sich früh und damit zu niedrigen Kursen große Anteile an den wenigen Bitcoin sicherten. Mit dieser Bitcoin-Macht ausgestattet, würden sie die Wirtschaft kontrollieren. Alle anderen müssten sich bei diesen anstellen, um für immer weniger Bitcoin (bzw. Satoshi) ihre Leistungen anzupreisen.

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So weit wird es glücklicherweise nicht kommen. Selbst Bitcoin-Anhänger gestehen zu, dass der Bitcoin als breitflächiges Zahlungsmittel untauglich ist. Bitcoin-Transaktionen sind langsam und teuer. Aber mit der abnehmenden Belohnung in Bitcoin für den „Proof of Work“ („Halving“) werden die Miner immer mehr Gebühren verlangen und damit die Transaktionskosten erhöhen. An Vorschlägen zur Abhilfe mangelt es nicht, sie unterminieren nur allesamt wesentliche, identitätsstiftende Eigenschaften des Bitcoin-Protokolls. Allen voran steht das in kleinem Maßstab bereits in Betrieb befindliche Lightning-Netzwerk. Dort werden Transaktionen zwar mit Bitcoins besichert, die Transaktionen selbst haben aber nichts mehr mit dem Bitcoin-Algorithmus zu tun. Wer dort ein Geschäft abschließt, muss einem Transaktionspartner oder einem Knoteninhaber vertrauen. Das Lightning-Netzwerk kann nur deswegen schneller und billiger funktionieren, weil es dort keinen „Proof of Work“ gibt, was es Netzwerk-Teilnehmern leicht macht, sich mit den Sicherheiten in Form von Bitcoin davonzustehlen. Je mehr Kontrollmechanismen als Ersatz eingeführt werden (z. B. „watchtowers“), umso teurer werden auch diese Transaktionen und umso mehr Intermediäre werden eingeführt. Selbst das Whitepaper des Lightning-Networks meint, das ein einigermaßen sicheres und skalierbares Funktionieren für alle Menschen nur mit einer Erhöhung der Block-Größe auf 133 MB möglich sei. Und das wiederum ist für die meisten Bitcoin-Jünger völlig ausgeschlossen.

Teurer Stromfresser

Weil der „Proof of Work“ und das „Mining“ eine so zentrale Rolle für den Bitcoin spielen, ist er auch ein Stromfresser (etwa 150 TWh/Jahr, vergleichbar mit ganz Schweden) und damit problematisch für die Umwelt, was viele Bitcoin-Fans verneinen. Sie berufen sich neuerdings auf ein Pamphlet der Beratungsfirma KPMG, das sagt, die „Miner“ seien vergleichbar mit Elektroautos, die ja auch als umweltfreundlich gelten. Das aber gilt nur dann, wenn der Strom „grün“ produziert wird. Den Ausgleich von temporären Überkapazitäten leisten Speicher wesentlich sinnvoller.

Für jemanden, der Bitcoin zu niedrigen Preisen gekauft und später mit Gewinn abgestoßen hat, ist der Nutzen klar. Aber irgendwann muss die Investorin die Bitcoin wieder in Dollar oder Euro (Fiat-Währungen) tauschen, weil der Bitcoin als Zahlungsmittel nur dort taugt, wo Geschwindigkeit und Kosten der Überweisungen keine Rolle spielen. Dies trifft neben der langfristigen Wertanlage vor allem auf illegale Transaktionen zu. Bitcoin-Vertreter argumentieren hier, dass die Transaktionen ja völlig transparent seien und daher von den Behörden leicht zu verfolgen. In Bezug auf die Bitcoin-Adressen stimmt das zwar, es wird aber für ein Opfer einer Ransomware-Attacke wie ein Hohn klingen. Diese bezahlen oft mehr als eine Million Dollar, fast sicher in Form von Bitcoin, und sie sehen ihr Geld nie wieder. Zwar kennt man die Täter und die Wege des Geldes sehr genau. Sie haben klingende Namen wie Cuba, Netwalker oder Revil. Wer aber dahintersteckt, wird nur in wenigen Fällen bekannt. Ansonsten verschieben die Kriminellen die Bitcoin über viele Adressen und vermischen sie mit legalen Bitcoin („Mixer“).

Der Anteil krimineller an allen Krypto-Transaktionen sei allerdings gering, laut Chainalysis liegt er bei verschwindenden 0,24 %. Offenbar eine krasse Unterschätzung, denn Chainalysis bezieht nur die ihr bekannten, mit illegalen Geschäften verbundenen Adressen ein. Sean Foley und seine Kollegen (publiziert in „Review of Financial Studies“, 2019) kommen zu anderen Zahlen. Sie identifizierten für die Jahre 2013 bis 2017 fast die Hälfte des Wertes an Bitcoin-Transaktionen im Darknet. Wenn nun im Jahr 2024 Blackrock und andere Bitcoin-ETFs auflegen, dann wird dieser Anteil wohl geringer.

Wer die Investoren in solche ETFs auf den mangelnden intrinsischen Wert des Bitcoin hinweist, dem wenden Bitcoin-Jünger ein, einen solchen hätten auch Dollar und Euro nicht. Während aber die größten Volkswirtschaften von diesen Währungen abhängen, umgekehrt deren Wert an der Leistungsfähigkeit dieser Ökonomien hängt, könnte der Bitcoin weder an deren Stelle treten (siehe oben), noch würde ein Verschwinden des Bitcoin einen nennenswerten Effekt auf die Realwirtschaft auslösen. Sollte der Bitcoin untergehen, weinen zwar viele Investoren, die Karawane aber zieht weiter. Und Peter Thiel? Der wird vermutlich schon vor dem Absturz mit seinen in Dollar gewechselten Bitcoin eine Insel gekauft haben.

Johannes M. Lehner (a. Univ.-Prof. i. R.) forscht an der Johannes-Kepler-Universität Linz unter anderem seit Jahren zur Blockchain.

E-Mails an: debatte@diepresse.com

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