Nachruf

Michael Horowitz ist tot: Er liebte die Menschen und sie ihn

Michael Horowitz bei der Präsentation seines Buches „Legenden“. Die Texte waren zuerst in der „Presse am Sonntag“ erschienen.
Michael Horowitz bei der Präsentation seines Buches „Legenden“. Die Texte waren zuerst in der „Presse am Sonntag“ erschienen.Mirjam Reither
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Der Wiener Fotograf, Autor und Journalist Michael Horowitz ist tot. Horowitz schrieb mehrere Serien für die „Presse am Sonntag“. Erinnerungen an einen Vielseitigen.

Der Wiener Fotograf, Autor und Journalist Michael Horowitz ist tot. Er sei am Freitag im Alter von 73 Jahren „friedlich und schmerzfrei eingeschlafen“, teilte seine Frau Angelika Horowitz mit. Horowitz schrieb viele Jahre in der „Presse am Sonntag“. Er verfasste mehrere Serien etwa über „Dichter & Denker“, große Künstlerinnen und Künstler Österreichs oder „Wiener Originale“, die in gesammelter Form auch als Bücher erschienen.

Michael Horowitz, der 1950 in Wien geboren wurde, war Fotograf, Schriftsteller und Verleger. Er schrieb unter anderem Biografien über Heimito von Doderer, Egon Erwin Kisch, Karl Kraus und seine Freunde H. C. Artmann, Otto Schenk und Helmut Qualtinger. Mit seiner Kamera reiste er von Jugend an um die ganze Welt – und bis nach Favoriten.

Schuldirektor sah ihn am Abend im TV

Michael Horowitz war in der 7. Klasse, als er dem Herrn Oberstudienrat Bauchschmerzen meldete. Er durfte die Schule verlassen, doch statt ins Bett schwang er sich aufs Moped und fuhr nach Schwechat, wo eben König Olav V. von Norwegen gelandet war. Horowitz schaffte es mit seiner Kamera in die erste Reihe. Dumm nur, dass ihn am Abend der Direktor im Fernsehen erkannte. Er habe dann, erzählte Horowitz, seine schulische Karriere vorzeitig beendet. Während seine Mitschüler sich mit den von ihm verhassten Fächern Mathematik und DG befassten, war er schon in New York und Südafrika.

Später schrieb er etwa Biografien über Heimito von Doderer und Karl Kraus, gründete die „Freizeit“-Beilage des „Kurier“, griff 25 Jahre nicht zur Kamera, außer, um seine Hunde zu fotografieren. Aber am Ende war „doch die Lust zu groß“. So spannten sich zwischen 1966 und 2020 „50 Jahre Menschenbilder“, wie seine Ausstellung hieß, die ihm 2016 Danielle Spera damals noch im Jüdischen Museum am Judenplatz geschenkt hatte.

Im Judentum war Horowitz dabei nur bedingt verwurzelt. Sein jüdischer Vater, ein Theaterfotograf, stammte aus Galizien, seine Mutter war evangelische Berlinerin, „zwei Welten“ fanden hier zueinander. Religion bedeutete Horowitz wenig. „Atheist wäre für mich ein Hilfsausdruck.“ Was ihn interessierte, waren die Menschen. „Es hat mich nie interessiert, auf einen Sonnenuntergang zu warten. Mir ging es nur um die Landschaft des Gesichts.“

Qualtinger fotografieren? „Keine Kunst“

Helmut Qualtinger kannte er noch aus dem Sieveringer Gemeindebau. Unterm Nussbaum in der gegenüberliegenden Buschenschank war immer für Qualtinger und dessen Freunde reserviert. „Da hast du gespürt: Da passiert was.“ Später entstanden mit Qualtinger legendäre Bilder. „Wenn man ihn getroffen hat und er gut drauf war, war er zu jedem Ausflug bereit.“ In Trausdorf im Burgenland besuchten die beiden einen Kunstflieger. „Ich, in meinem jugendlichen Übermut, und er, weil er vielleicht schon ein bissl was getrunken hatte, sind mit dem Wahnsinnigen in die Luft gegangen.“ Qualtinger sei da freilich schon ein berühmtes Enfant terrible gewesen, ihn zu fotografieren war „keine Kunst“. Stolz war Horowitz auf Bilder von Menschen, deren Charisma er selbst früh erkannt hatte. Auf die Bilder der Wiener Pop-Art-Künstlerin Kiki Kogelnik etwa, die er, noch ein Teenager, in New York besuchen durfte.

Thomas Bernhard am Fahrrad

Auch Thomas Bernhard war noch ziemlich unbekannt, als er ihn mit einem „Spiegel“-Redakteur drei Tage lang in Ohlsdorf belagerte. Kurz bevor der Journalist abreisen musste, startete man einen letzten Versuch. Das Tor ging auf, Bernhard empfing. Und fragte gegen Ende, ob man ihn nicht auch noch auf dem Fahrrad im Keller fotografieren wolle. Hunderte Male ist das Bild bis heute erschienen. Nicht nur der Augenblick, sagte Horowitz, sei für ein gutes Bild entscheidend: „Wichtig ist, dass man überhaupt dranbleibt.“ Und dass der Fotografierte Vertrauen hat, nicht desavouiert zu werden.

Da hockte dann Arik Brauer unbekleidet auf seiner Staffelei, lag Ernst Fuchs im Schaumbad, saß Arnold Schwarzenegger (halb) nackt im Hawelka, steckte Fred Sinowatz nebst einem Plüschhasen im Clownskostüm. „Michael Horowitz war einer, der sah und entdeckte, der fühlte und erkannte – als Fotograf und Schriftsteller“, wie Hugo Portisch es einst geschrieben hat. Ein Satz, sagte Horowitz, der ihn freute. Wir wollen ihn daher hier wiederholen. Und stehen lassen – für die Ewigkeit.

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