Unterwegs

Können wir uns dazusetzen? Nein, ihr Barbaren!

Was tun, wenn schon alle Tische besetzt sind?
Was tun, wenn schon alle Tische besetzt sind?Getty
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Einen schon besetzten Tisch zu okkupieren, ist bei uns leider üblich. Die Spanier leisten tapferen Widerstand.

„Können wir uns dazusetzen?“ An der kleinen Strandbucht an der Costa Blanca stehen die Tische aufgefädelt, viele wollen die milde Frühlingssonne genießen, und die solitär platzierte Norddeutsche bleibt nicht lang allein. Ein schwäbisches Paar okkupiert die freien Sessel und signalisiert sogleich lebhafte Gesprächsbereitschaft. Bestellen wollen die Invasoren natürlich auch, her mit dem Bier. Die spanische Kellnerin aber, mit den befremdlichen Bräuchen der Fremden vertraut, erklärt in festem Ton: Das geht nicht, sie kann an der Kassa nur für einen ganzen Tisch bonieren.

Was sie nicht sagt, aber sichtlich denkt: Wir lassen uns von euch nicht jeden barbarischen Brauch importieren. Recht hat sie. Die eigene Gesellschaft anderen aufzudrängen, ist eine Unsitte, die in den meisten Ländern als unverzeihlicher Fauxpas gilt.

Aus guten Gründen: Die Erstbesetzer können schwerlich ablehnen. Ihre intimen Gespräche sind unterbunden, denn fortan hören Unbekannte mit. Noch ärmer sind Alleinkonsumierende dran: Ihnen wird meist eine verkrampfte Gruppenkonversation oktroyiert. Diese verharrt, um peinliche Kontroversen zu vermeiden, bei lähmend banalen Themen. Wie kommt man dazu? Die Deutschen und Österreicher an der Costa Blanca murren aber aus konträren Gründen. Rasch hat sich das halbe Lokal kopfschüttelnd mit den schwäbischen Rebellen solidarisiert: Wie können diese Spanier nur so unflexibel sein!

Mittendrin sitzt ein kleiner Reisekolumnist. Er schämt sich fremd. Und notiert ein paradoxes Gefühl: Ich fühle mich im Ausland nur dann nicht zu Hause, wenn ich umringt von Landsleuten bin.

Email: karl.gaulhofer@diepresse.com

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