Kochbuch

„Eine persische Tafel soll bunt sein“

Wurzeln. Die Schwestern Forough und Sahar Sodoudi haben ein Kochbuch über persische Küche verfasst. 
Wurzeln. Die Schwestern Forough und Sahar Sodoudi haben ein Kochbuch über persische Küche verfasst. Christine Pichler
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Sahar und Forough Sodoudi haben beide einen Doktortitel in Physik. Seit fünf Jahren bringen sie Menschen bei, was sich in ihrer Heimat hinter Mullahs und Kopftuchzwang an Kultur versteckt - und zwar übers Essen.

Die Schlagzeilen, die einen aus dem Iran erreichen, sind seit Jahren eher unerfreulicher Natur. Da geht es um Sittenpolizei und fanatische Mullahs, um Kopftuchzwang und Repressionen, um junge Frauen, die vom Geheimdienst abgeführt werden und womöglich nicht mehr zurückkommen. Das ist freilich längst nicht alles, was das Land und seine Leute ausmacht. „Die Regierung ist so“, sagt Sahar Sodoudi. „Die Tausenden faszinierenden Feinheiten der persischen Kultur sind versteckt hinter Politik und Religion. Aber wir lassen nicht zu, dass diese unsere Kultur vernichten.“ Sahar Sodoudi und ihre Zwillingsschwester Forough haben beide einen Doktortitel in Physik und eine Mission, die auf den ersten Blick gar nicht dazu passt: die positiven Seiten der iranischen Kultur hinter den dunklen Schlagzeilen hervorzuholen. Sie sind dafür vor fünf Jahren jäh abgebogen von ihrem bisherigen Karrierepfad.

Geradegerückt

Nicht der erste Richtungswechsel, den die Schwestern hinter sich haben: Geboren in Berlin, übersiedelten sie als Kleinkinder mit den Eltern zurück in den Iran, für die Promotion ging es zwanzig Jahre später wieder nach Deutschland, sie forschten zu Klima und Geophysik. Und entschieden sich wieder zwanzig Jahre später für ein ganz neues Feld. „Wir haben viel gekämpft, sehr viel“, sagt Sahar Sodoudi über die Jahre in der Forschung. Gleichzeitig störte sie immer mehr, wie unbekannt, wie schlecht repräsentiert die persische Kultur in Europa ist. „Und wir haben gedacht, wenn wir zwei als promovierte Wissenschaftlerinnen nicht in der Lage sind, das zu ändern, wer macht das? Das hat uns inspiriert, die mutigste Entscheidung unseres Lebens zu treffen.“

Statt an der Uni stehen die beiden nun also in Berlin Kreuzberg in der Küche ihres Culture and Food Lab. Von hier aus werden Veranstaltungen mit iranischen Delikatessen versorgt, in Kochkursen lernt man, wie man ein iranisches Festmahl zubereitet und nebenbei erfährt man allerhand über den Iran: die Esskultur sozusagen als Vehikel. „Jedes Aroma, jeder Geruch, jede Konsistenz erzählt eine Geschichte, die weit über den Tellerrand hinausgeht“, schreiben sie in ihrem Kochbuch, das kürzlich im Brandstätter Verlag erschienen ist. Eine richtige persische Tafel kombiniert diese in Perfektion: Auf den Tisch kommt immer etwas Frisches (Kräuter), etwas Cremiges (etwa Joghurt), etwas Knackiges (Radieschen), etwas Eingelegtes. Und natürlich Reis, den die persische Küche wie kaum eine andere veredelt ein Tipp der Schwestern, um die besondere Tahdig-Kruste hinzubekommen, an der viele scheitern: „Der richtige Topf, klein und beschichtet! Bloß keine große Pfanne verwenden. Natürlich geht das nicht“, sagt Forough.

Divers. Immer etwas Frisches, etwas Cremiges und etwas Knackiges soll mit jedem Gericht auf den Tisch kommen.
Divers. Immer etwas Frisches, etwas Cremiges und etwas Knackiges soll mit jedem Gericht auf den Tisch kommen.Christine Pichler

In ihrem Kochbuch findet man neben einem ganzen Reiskapitel auch Gerichte wie Kräuterfrittata, die an Blumenwiesen im Iran erinnern soll, Spinatsalat mit Safranmandeln, einen Bohneneintopf mit Dill genauso wie Lammfilet mit Walnuss und Granatapfel. Und spürt ein bisschen die Lebensfreude, die in der persischen Kultur trotz allem präsent ist. „Eine persische Tafel soll bunt sein, wie ein Fest für die Seele, es wird nicht nur gegessen, es muss gefeiert werden, weil man in einer Gesellschaft ist, mit den anderen Familienmitgliedern, den Freunden“, sagt Sahar Sodoudi. „Und die Iraner sind Genießer.“ Egal, wie viele Probleme sie haben, wie der Tag war: Wenn man anruft und sagt: „Komm!“, sagt keiner Nein. Keiner sagt ab, keiner erklärt, er sei zu müde, müsse früh aufstehen.

Stimmhaft

Am Esstisch wird freilich nicht nur gegessen, genossen, das Zusammensein gefeiert, auch die großen Entscheidungen des Lebens werden im Iran stets am Esstisch getroffen. Und womöglich wird hier auch die Revolution geschmiedet, auf die die Schwestern hoffen. „Als junge Frauen im Iran haben wir immer gegen diese Regierung protestiert. Der Unterschied: Die junge Generation jetzt hat keine Angst. Daher haben wir auch gedacht, wir können kein Kochbuch schreiben, ohne eine Stimme für unsere Frauen zu sein.“

Früher arbeiteten Sahar und Forough Sodoudi mit iranischen Universitäten zusammen, seit mehr als zehn Jahren waren sie nicht mehr im Land. Heute in den Iran zu reisen wäre möglicherweise gefährlich für sie: „Wir sind nicht politisch engagiert“, sagt Forough Sodoudi. „Aber wir sagen laut, dass wir unsere Frauen im Iran unterstützen, dass wir gegen diese Regierung sind. Viele denken so. Aber das kann gefährlich werden.“ Ihr Engagement für die iranische Kultur hat jedenfalls schon Wirkung gezeigt: „Wir haben eine Liste von mehr als 500 Personen, die mit uns in den Iran wollen, wenn wir irgendwann eine Reise organisieren.“ Wann das sein wird? „Nach dem Sturz des islamischen Regimes“, sagt Forough. „Bald.“

Buchtipp:

„Hier fließt die Liebe – Persische Küche“. Forough Sodoudi, Sahar

Sodoudi, Brandstätter Verlag.

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