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Colin Farrell in „Sugar“: Der traurige Hollywood-Detektiv

Unterwegs im charmanten Corvette-Cabrio durch Los Angeles: Colin Farrell als nachdenklicher Privatdetektiv „Sugar“.
Unterwegs im charmanten Corvette-Cabrio durch Los Angeles: Colin Farrell als nachdenklicher Privatdetektiv „Sugar“.Apple TV / Jason Laveris
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Colin Farrell sorgt als schweigsamer Schnüffler in der Serie „Sugar“ (auf Apple TV+) für dichte Atmosphäre – und Retrocharme. Eine Serie für Cineasten mit Faible für Noir-Krimis.

John Sugar ist ein Guter. „I don’t like hurting people“ ist eine Formel, die er sich in seiner für den Zuschauer hörbar gemachten Gedankenwelt immer wieder vorsagt, wenn er sich wieder einmal die Hände hat schmutzig machen müssen. Er will nicht grob sein. Das bleibt freilich ein frommer Wunsch für den Privatdetektiv, der sich als Protagonist der Apple-TV+-Serie „Sugar“ in den Familiensumpf einer Hollywood-Dynastie vorwagt. Der Großvater (James Cromwell), ein berühmter Filmproduzent, hat ihn beauftragt, weil seine Enkelin Olivia (Sidney Chandler) verschwunden ist.

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Schon die eigenartige Reaktion anderer Clanmitglieder, die schulterzuckend meinen, das von Drogenproblemen geplagte schwarze Schaf würde bald wieder auftauchen, machen stutzig. Wäre das so, bräuchte es keine Abhöraktionen, Bespitzelungen und Leichen im Kofferraum. Serienschöpfer Mark Protosevich („I Am Legend“) hat ein Faible fürs Düstere.

Es sind die Augen, die ihn verraten

Aber ist John Sugar wirklich ein Guter? Freilich, er hat ein großes Herz. Für den Obdachlosen, dem er auf der Straße ins Gewissen redet. Für die Alkoholikerin, die sich nach 23 Jahren Abstinenz mit dem smarten Ermittler so viele sündhaft teure Scotchs reinkippt, bis sie sich ihm im Suff geradezu aufdrängt. Was er, ganz Gentleman, nicht ausnützt. Selbst Tiere können auf ihn zählen, denn schon bald hat er einen verwaisten Hund als Gefährten neben sich im hellblauen Corvette-Cabrio sitzen.

Und doch denkt man an: Mit dem Mann stimmt etwas nicht. Es sind die traurigen Augen, die ihn verraten. Und natürlich der Stoff, den er sich intravenös in den Hals jagt, bevor er von Visionen heimgesucht wird. Nicht zu vergessen dieses seltsame Leiden, das bei ihm immer wieder zu Zuckungen, Lähmungserscheinungen und Zusammenbrüchen führt.

Wie Humphrey Bogart, nur ohne Hut

Colin Farrell, der 2023 für seine Rolle als irischer Farmer in „The Banshees of Inisherin“ für einen Oscar nominiert war und zwei Golden Globes im Regal stehen hat, gibt den geheimnisvollen Detektiv. Wie aus dem Ei gepellt wirkt er im klassischen Designeranzug und mit tadellosen Manieren, eine Mischung aus Pierce „007“ Brosnan und Humphrey Bogart ohne Hut. Wobei Sugar eindeutig ein Faible für Letzteren hat, denn nicht nur nützt er jede Gelegenheit, um in die Jahre gekommene Hollywoodfilme zu schauen – die Geschehnisse vermischen sich auch immer wieder in wirkungsvollen Überblendungen mit Schwarz-Weiß-Szenen aus den alten Noir-Krimis. Eine schöne Idee von Regisseur Fernando Meirelles, der für „City of God“ ebenfalls Oscar-nominiert war.

Die Filmzitate unterstreichen den schwermütigen Ton der Serie, in der Olivias Verschwinden nur als Aufhänger dient. Den Serienmachern ist der Blick hinter die Kulissen wichtiger als die Darstellung von Glanz und Glamour der Filmindustrie oder die fiesen Momente, in denen man zusammenzuckt, weil womöglich gleich die Hand einer bis dato unversehrten Person in einem Mixer püriert wird. Genau ausgeleuchtet wird hingegen der filigrane innere Zustand des Protagonisten, der zwar soziale Kompetenzen, aber kein Privatleben hat. Der anderen helfen kann, aber sich selber nicht zu helfen weiß. Auch Sugar leidet, wie so viele seiner cineastischen Vorbilder, unter Einsamkeit. Und an einer Überdosis Coolness, die offenbar dazu dient, ein Trauma zuzudecken, das mit seiner Schwester zu tun hat.

Alles ein bisschen ominös

Farrell ist in der Rolle des wortkargen Cineasten eine Idealbesetzung. Er sorgt für dichte Atmosphäre – und Retrocharme. Zwei Frauen stehen ihm zur Seite: Amy Ryan (sie war für ihre Nebenrolle in „Gone Baby Gone – Kein Kinderspiel“ für einen Oscar nominiert) stattet Melanie, Olivias Ex-Stiefmutter, mit reifem Sexappeal und dem unvergleichlichen Selbstbewusstsein einer ehemaligen Rocksängerin aus. Sie lässt es zwischen Sugar und Melanie ordentlich knistern und soll ihm bei den Ermittlungen helfen. Kirby Howell-Baptiste („Killing Eve“) spielt die elegante Ruby, die eine Art Geheimbund leitet, für den Sugar arbeitet. Alles ein bisschen ominös. Alles ziemlich cool.

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