Interview zum 70er

Karl-Markus Gauß: „Die Hamas hat den Propagandakrieg gewonnen“

„Haruki Murakami ist eine Art Rosamunde Pilcher für Leute mit Matura“ und „Irgendwann wird es in Österreich kein Dorf mehr geben, aber immer noch eine Anti-Dorf-Literatur“: Karl-Markus Gauß teilt im Interview zu seinem baldigen Siebziger (am 14. Mai) literarisch aus.
„Haruki Murakami ist eine Art Rosamunde Pilcher für Leute mit Matura“ und „Irgendwann wird es in Österreich kein Dorf mehr geben, aber immer noch eine Anti-Dorf-Literatur“: Karl-Markus Gauß teilt im Interview zu seinem baldigen Siebziger (am 14. Mai) literarisch aus.Clemens Fabry
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Der Autor schwärmt vom KPÖ-Wahlkampf in Salzburg, kritisiert die Herabwürdigung ländlicher FPÖ-Wähler zu „dummen Losern“, benennt literarische „Feinde“ und erteilt gewissen Leuten Hausverbot - das hat nicht nur mit Nahost, sondern auch mit Büchern zu tun.

„Die Presse“: Im Jänner haben Sie im „Standard“ einen Essay über linken Antisemitismus und dessen Stärke schon in den Siebzigerjahren veröffentlicht. Heißt das, die Reaktionen auf den neuen Nahost-Konflikt haben Sie gar nicht wirklich überrascht?

Karl-Markus Gauß: Vorgewarnt war ich, aber was ich nicht erwartet habe, war, wie schnell die Hamas den Propagandakrieg gewonnen hat. Wie schnell bei uns so viele gesagt haben: Das ist legitimer Widerstand, endlich melden die sich . . . Ich habe auch einige solche Bekannte getroffen. Jetzt treffe ich sie nicht mehr. Kurz davor hatte ich außerdem meinen zweiten Herzinfarkt. Und auf einmal hatte ich das Gefühl, ich möchte zu diesem Thema noch unmissverständlich meine Haltung gesagt haben, wer weiß, vielleicht bin ich ja in zwei Monaten tot. Inzwischen muss man die Sache wieder etwas anders betrachten, weil dieser Krieg verheerend für unglaublich viele Menschen in Gaza ist, darunter sehr viele Kinder.

Gauß und sein neues Buch

„Schiff aus Stein“ (Zsolnay Verlag) ist das neue Buch des Salzburger Autors Karl-Markus Gauß, das persönliche Texte über „Orte und Träume“ versammelt. Gauß, geboren am 14. 5. 1954, wurde besonders durch seine literarischen Reiseessays aus Mittel- und Südosteuropa bekannt, oft über ethnische Minderheiten, sowie als langjähriger Herausgeber der Zeitschrift „Literatur und Kritik“. 2022 erhielt er den Leipziger Buchpreis zur Europäischen Verständigung.

Am 14. Mai werden Sie 70, trotz Ihres kürzlichen Infarkts wirken Sie äußerst positiv. Diese Grundstimmung dem Leben gegenüber werden Sie wohl nicht los.

Das stimmt. Mein größter literarischer Feind, wenn man das so sagen kann, ist Emil Cioran, den bei uns wahnsinnig viele Leute verehren. Leider muss ich einräumen, dass er sehr gut schreibt, aber gegen seinen absoluten Negativismus kämpfe ich geradezu aktiv an. Allerdings hatte ich Glück: Das Jahr 1954 in Salzburg war schon eine sehr günstige Zeit, um geboren zu werden. Der Krieg lag etwas zurück, der Wiederaufbau hat begonnen. Und Ende der Sechziger, Anfang der Siebziger war eine der besten Zeiten, um 14, 16, 18 zu sein.

Warum?

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