Die größte Kunstausstellung der Welt ist zum politischen Minenfeld geworden. Die brisantesten Länderbeiträge bei der Biennale in Venedig.
An der Ballettstange an einer Seitenwand hat sie sich schon aufgewärmt, schüchtern, in sich gekehrt. Während auf der großen Leinwand im Hintergrund in Dauerschleife bereits geprobt wird, blutige Füße sichtbar werden, den Tänzerinnen der Schweiß herunterrinnt. Doch dann bricht Oksana Serheieva die Realitätsebenen, tritt in den Film hinein, in die Mitte des Raums des Österreichischen Pavillons in Venedig – und tanzt ihr Solo, den sterbenden Schwan, ganz klassisch, in großer Anmut und weißem Tütü.
Es ist ein sehr berührender Moment, der sich zu Beginn der Biennale dreimal am Tag ereignen wird. Denn die nach Wien geflüchtete ukrainische Balletttänzerin tanzt auch um das Leben ihres Landes. Schließlich steht „Schwanensee“ in Russland für Generationen synonym für politische Veränderung. Passierte in der Sowjetzeit Unvorhergesehenes, lief das Stück im TV in Dauerschleife. Auch heute würden sich das viele Russen wieder wünschen: „Schwanensee“ ist ein Code für das Ende Putins.