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Ortskerne beleben: „Ein Standardrezept gibt es nicht“

Der zunehmenden Verödung von Ortskernen kann mit neuen und zukunftsfitten (Geschäfts-)Ideen entgegengewirkt werden. Hier im Bild: Villach.
Der zunehmenden Verödung von Ortskernen kann mit neuen und zukunftsfitten (Geschäfts-)Ideen entgegengewirkt werden. Hier im Bild: Villach. Marta Gillner / Stadt Villach
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Innenstädte kämpfen mit Leerstand und fehlender Frequenz. Doch es gibt Wege, das Ruder herumzureißen.

Der Strukturwandel in den heimischen Ortskernen hält weiter an: In vielen Dörfern gibt es bereits seit Jahren weder Einzelhändler noch Gasthäuser, Schulen und Kindergärten. Ähnliches lässt sich in Städten beobachten, in denen sich ein Leerstand an den anderen reiht. Denn der Rückgang der Shoppingflächen setzt sich fort, wie der aktuelle City Retail Report des Beratungsunternehmens Standort + Markt zeigt. „In den wichtigsten Einkaufsstraßen haben wir im Handel erneut rund 9000 Quadratmeter verloren.“ Dabei seien 90 Prozent der Ortskerne und Peripherien in den ländlichen Regionen noch gar nicht berücksichtigt.

„Hier wird sich das tatsächliche Ausmaß aufgrund langer Laufzeiten bei Miet- und Pachtverträgen erst noch zeigen“, sagt Handelsverband-Geschäftsführer Rainer Will. „Die Orte sterben weiter aus“, bestätigt Monika Hohenecker, Senior Expert Cities & Municipalities bei RegioPlan Consulting, die eher düsteren Prognosen. Doch es sei nicht unmöglich, ihnen wieder neues Leben einzuhauchen. „Ein Standardrezept gibt es dazu zwar nicht, aber es kristallisieren sich einige dafür bestimmende Faktoren heraus.“

Ideensuche und Engagement

Einer davon sei die Attraktivierung des öffentlichen Raums durch die Gemeinden. „Das beginnt bei der Klimafitness und geht über die Möblierung bis hin zu Toiletten“, zählt Hohenecker auf. Dass in diesem Zusammenhang häufig die Verbannung von Autos aus den Zentren gefordert wird, sieht sie zwiespältig. „In manchen Einkaufsstraßen kann Autofreiheit zwar Sinn machen, nicht aber in kleineren Städten in ländlichen Gebieten. Für diese wäre sie der Todesstoß.“ Denn die Menschen aus der näheren, aber auch weiteren Umgebung müssten überhaupt einmal erst dorthin kommen. 

Darüber hinaus sei ein Umdenken in der Nutzung der leer stehenden Gebäude notwendig. „Die meisten halten dabei nach wie vor am Handel fest“, meint Hohenecker und schlägt vor, in Richtung Multifunktionalität und soziale Nutzung zu denken. In den Ortszentren könnten etwa Gewerbe- oder Gastronomiebetriebe genauso wie Seniorentreffpunkte, ein Kinderspielraum oder Co-Working-Spaces für mehr Attraktivität sorgen.

»In manchen Einkaufsstraßen kann Autofreiheit zwar Sinn machen, nicht aber in kleineren Städten in ländlichen Gebieten. Für diese wäre sie der Todesstoß.«

 Monika Hohenecker

Senior Expert Cities & Municipalities bei RegioPlan Consulting

Ein weiterer Erfolgsfaktor sei das Engagement: „Es ist extrem wichtig, dass es in den Gemeinden und Städten jemanden gibt, der sich des Themas Belebung annimmt. Und zwar nicht nur punktuell, sondern kontinuierlich.“ Dies sei jedoch nur selten der Fall, da sowohl Ressourcen als auch die Expertise fehlen würden. Ebenso sollten Eigentümer in Entscheidungsprozesse eingebunden und über Fördermöglichkeiten besser informiert werden, da diese letztendlich ihre Flächen vermieten wollen.

Konkrete Maßnahmen

Die genannten Faktoren würden sich auf die Belebung von Einkaufsstraßen in größeren Städten übertragen lassen, meint Hohenecker. Wie das im besten Fall gelingen kann, zeigt sich etwa in Villach, das als Best-Prac­tice-Beispiel genannt wird. Angesichts der zunehmenden Verödung seien Innenstadtbetriebe und Passanten in regelmäßigen Abständen nach ihren Anliegen für eine zukunftsfähige Stadt befragt worden. „Daraus sind konkrete Maßnahmen erarbeitet und umgesetzt worden“, sagt Pierre Bechler, Geschäftsführer des Stadtmarketings Villach, über die begrünte Innenstadt, die man vergangenen Sommer „Kärntens schönstes Wohnzimmer“ titulierte.

Darüber hinaus wurde gemeinsam mit dem Kärntner Wirtschaftsförderungsfonds (KWF) die Pop-up-Initiative „Meine Idee – mein Shop“ gegründet, die beispielsweise Interessierten beratend zur Seite steht, für die Dauer von sechs Monaten an die 75 Prozent der Nettomiet- und Betriebskosten übernimmt sowie eine Geschäftseröffnung mit einem Preisgeld in der Höhe von 5000 Euro unterstützt. „Bis jetzt wurden neun Geschäftsideen realisiert – und alle Beteiligten haben weitergemacht“, sagt Bechler. Und auch Hauseigentümer werden mit ins Boot holt. So wurde eine Anlaufstelle für Fragen nach Förderungen geschaffen sowie eine kostenlose Erstberatung mit Baumeistern und Architekten. Der Erfolg gibt den Stadtverantwortlichen recht. Bechler: „Wir hatten im Jahr 2017 eine Leerstandsquote von 17 Prozent und liegen mittlerweile bei etwa sechs Prozent.“

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