Wort der Woche

Leben im Extrem

APA / AFP / Juan Barreto
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Selbst in der Antarktis tummelt sich Leben. Manche Organismen haben in dieser unwirtlichen Umgebung ungewöhnliche Stoffwechselwege herausgebildet.

Unter der durchschnittlich zwei Kilometer dicken Eisdecke der Antarktis, so wurde diese Woche bei der Generalversammlung der European Geosciences Union (EGU) in Wien berichtet, verbirgt sich eine abwechslungsreiche Landschaft mit Hügeln, Ebenen und Seen. Das hat ein deutsch-britisches Team um Olaf Eisen (Alfred-Wegener-Institut) bei seismischen Untersuchungen des Thwaites-Gletschers in der westlichen Antarktis herausgefunden. Wann und wie diese Landschaft entstanden ist, ist derzeit unbekannt – die Antarktis war laut Forschenden des Max-Planck-Instituts für Meteorologie das letzte Mal vor rund 34 Mio. Jahren komplett eisfrei.

So lebensfeindlich die Bedingungen auf der Antarktis heute auch sind, so gibt es dort dennoch Leben. Selbst unter dem Eis tummeln sich in subglazialen Seen mancherorts Wasserlebewesen, vergleichbar mit dem Leben im Grundwasser – in hunderten bis tausenden Metern Tiefe bei völliger Dunkelheit. Viel mehr Leben regt sich in jenen 0,44 Prozent der Fläche der Antarktis, die auch heute eisfrei sind. Dabei handelt es sich größtenteils um Mikroorganismen, es wachsen aber auch 200 Flechten-, 100 Moos-, 30 Pilz- und zwei Blütenpflanzenarten – ein ganz eigenes, antarktisches Florenreich.

Den verschiedenen Lebensräumen auf der Antarktis gemein ist Nährstoffmangel. Während im Großteil der Welt heutzutage – wegen Düngung und Luftverschmutzung mit Stickoxiden – ein Überfluss an Stickstoff herrscht, ist dieser in der Antarktis sehr knapp. Eine internationale Forschendengruppe um Ping Han (East China Normal University) hat nun in den kargen Böden der Antarktis Mikroorganismen der Gattung Nitrospira nachgewiesen, die in dieser extremen Umgebung einen ungewöhnlichen, bislang einzigartigen Stickstoff-Stoffwechsel entwickelt haben (Nature Communications, 12. 4.).

Indes berichtete eine Gruppe um Zhanqin Zheng (University of Science and Technology of China) dieser Tage bei der EGU-Konferenz von einer bemerkenswerten Ausnahme vom Nährstoffmangel: In Küstenregionen, die von Pinguinen besiedelt werden, gibt es nämlich Stickstoff in Hülle und Fülle: Die flugunfähigen Vögel fressen auf ihren ausgedehnten Streifzügen durch das Meer Unmengen an Krill und anderen Kleinkrebsen – und hinterlassen einen Teil des aufgenommenen Stickstoffs und Phosphors in Form von Exkrementen auf dem Festland. Und zwar so viel, dass sich diese sogar in Mineralien in Sedimenten aufspüren lasen.

Der Autor leitete das Forschungsressort der „Presse“ und ist nun Wissenschaftskommunikator am AIT.

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