Interview

EVP-Chef Manfred Weber: „Der Iran ist ein Terrorstaat“

EVP-Chef Manfred Weber will eine restriktivere Migrationspolitik.
EVP-Chef Manfred Weber will eine restriktivere Migrationspolitik. Vadim Ghirda (picturedesk)
  • Drucken

Der Chef der Europäischen Volkspartei, Manfred Weber, fordert harte Sanktionen gegen den Iran und will das Verbrenner-Aus nach der Europawahl im Juni zurücknehmen.

Die Presse: Im Nahen Osten dreht sich die Eskalationsspirale. Was kann die EU tun, um einen Flächenbrand zu vermeiden?

Manfred Weber: Israel wurde in den vergangenen Monaten zweimal direkt angegriffen: Einmal durch einen massiven Terrorangriff der Hamas und einmal durch den Iran. In dieser Situation kann Europa nicht neutral sein, sondern muss an der Seite Israels stehen.

Der EU-Gipfel hat grünes Licht für neue Sanktionen gegen den Iran gegeben, der einen Drohnenschlag gegen Israel verübt hat. Sie fordern, die iranische Eliteeinheit der Streitkräfte, die Revolutionsgarden, als Terrororganisation einzustufen …

Was muss denn noch passieren, damit wir Europäer verstehen, dass die Revolutionsgarden eine der großen Terrororganisationen in der Region sind, die die Houthi-Rebellen im Jemen, die Hamas im Gazastreifen und die Hisbollah im Libanon unterstützen? Sie sorgen in der ganzen Region für Instabilität und Terror. Der Iran ist ein Terrorstaat. Europa muss klare Antworten geben und wichtige Vertreter der Revolutionsgarden sanktionieren. Zudem ist der Iran die Drohnen- und Waffenkammer für andere kriegsführende Staaten wie Russland. Die Ukraine wird jeden Tag mit iranischen Waffen angegriffen. Deshalb muss es uns gelingen, dass Teheran von Hochtechnologie ferngehalten wird und moderne Waffen nicht mehr in der Masse entwickeln kann.

Dennoch ist in der EU mancherorts eine gewisse Zurückhaltung zu spüren, wenn es um neue Sanktionen gegen Teheran geht. Hofft man in Brüssel immer noch auf einen Atomdeal?

Die EU hat versucht, über diplomatische Wege zu einer Übereinkunft mit dem Iran zu kommen – das ist für die Union immer der erste Weg. Doch wir dürfen nicht naiv sein: Der Iran ist ein aggressiver Staat. Vor diesem Hintergrund muss die EU eingestehen, dass sie mit diplomatischen Methoden nicht vorankommt.

Im Gazastreifen ist nach Monaten des Kriegs eine humanitäre Katastrophe ausgebrochen. Nehmen Sie Israel völlig aus der Verantwortung?

Israel hat jedes Recht, sich zu verteidigen. Gerade als Freunde Israels müssen wir aber auf eine Feuerpause drängen, die humanitäre Situation im Gazastreifen ist nicht akzeptabel. Klar ist auch: Mit diesem Krieg wird die nächste Generation an Hamas-Kämpfern herangezogen.

Die geopolitische Weltlage sorgt unter EU-Bürgern für große Unsicherheit und wird die Europawahlen Anfang Juni beeinflussen – ebenso wie das Dauerthema Migration. Mit viel Euphorie haben Sie die Einigung auf einen Asyl- und Migrationspakt begrüßt, den einige osteuropäische EU-Länder nun nicht mittragen wollen. Sind die Maßnahmen realistisch?

Der Pakt muss in allen Mitgliedstaaten umgesetzt werden, das ist die Rechtslage. Ich bin sehr froh, dass nach acht Jahren quälender, hoch emotionaler Debatte eine Einigung gelungen ist. Der Kern sind Lager an den Außengrenzen, wo Menschen untergebracht werden, die wenig Chancen auf Asyl in Europa haben. Innerhalb weniger Tage soll die Entscheidung fallen: Gibt es eine Bleibeperspektive oder nicht? Die Botschaft ist, dass der Staat entscheidet, wer nach Europa kommt, und nicht die Schlepperbanden.

Woher rührt Ihr Optimismus, dass die Rückführungen von Migranten, die einen negativen Asylbescheid in Händen halten, in Zukunft besser funktionieren sollen?

Wenn wir mit den Nachbarländern partnerschaftlich arbeiten, und das ist notwendig, dann kann es gelingen, den Mafiastrukturen das Handwerk zu legen. Es gibt Abkommen mit der Türkei, Tunesien, Ägypten und Mauretanien. Schritt für Schritt werden wir Vereinbarungen mit weiteren Herkunfts- und Transitländern schließen.

Der Kritikpunkt an solchen Abkommen liegt auf der Hand: Die EU begibt sich in der Migrationsfrage in Abhängigkeit unsicherer Partner.

Es gibt keine vernünftige Alternative zur Partnerschaft mit diesen Staaten, wenn wir Migration auf Dauer begrenzen wollen. Ich bin sprachlos, wenn die Sozialdemokraten mich kritisieren, weil ich in Tunesien war. Wenn Zahlen illegaler Migranten senken wollen – und das ist eine absolute Notwendigkeit –, müssen wir mit den Transitländern reden.

Migrationsexperten monieren, dass das Abkommen die legale Migration nicht regelt. Mehrere EU-Länder, auch Österreich zählt dazu, wollen keine zusätzlichen Schutzbedürftigen aufnehmen, die an Europas Außengrenze gestrandet sind …

Die Belastungsgrenze in vielen Ländern ist erreicht, deshalb müssen wir endlich zwischen illegalen Migranten und tatsächlich Schutzbedürftigen unterscheiden. Wenn es aber um die Grundsatzfrage geht, ob Europa bereit ist, Menschen in Not zu helfen, möchte ich daran erinnern, dass Millionen Ukrainer in der EU Schutz gefunden haben. Eine „Festung Europas“ gibt es nicht.

Zu den wichtigsten Themen unserer Zeit zählt auch der Klimawandel. EVP-Spitzenkandidatin Ursula von der Leyen, die ein zweites Mandat als Kommissionspräsidentin anstrebt, ist vielen in Ihrer Fraktion bei grünen Vorhaben zu ambitioniert. Für die nächsten Jahre wünschen sich Ihre Parteifreunde mehr Wirtschaftsfreundlichkeit. Ist das eine zukunftsgerichtete Politik?

Die EVP verpflichtet sich dem Vorhaben des Green Deal, bis zum Jahr 2050 klimaneutral zu werden. Der Klimaschutz ist die größte Aufgabe unserer Zeit, und dabei unterstützen wir von der Leyen. Dennoch sehen wir manches kritisch: Das geplante Verbrenner-Aus ab dem Jahr 2035 ist ein Beispiel. Aus unserer Sicht sollen dann wie vorgesehen keine Autos mehr produziert werden, die CO2 emittieren, aber die Technologie soll der Wirtschaft überlassen bleiben, nicht der Politik. Wenn die EVP eine entsprechende Mehrheit zustande bringt, werden wir das Verbrenner-Aus nach der Wahl zurücknehmen. Es gibt heute schon Kraftstoffe, die zu hundert Prozent klimaneutral sind. Wir müssen technologische Offenheit zeigen.

In dieser Frage sind Sie mit dem österreichischen Bundeskanzer, Karl Nehammer, einer Meinung – in der Frage eines vollständigen Schengen-Beitritts von Bulgarien und Rumänien aber nicht.

Es ist völlig legitim, als nationale Partei aus guten Gründen eine eigene Meinung zu haben. Als EVP unterstützen wir aber den vollständigen Schengen-Beitritt der beiden EU-Länder.

Sie machen kein Hehl daraus, enge Kontakte zu der italienischen Ministerpräsidentin und Chefin der EU-kritischen ECR-Fraktion im Europaparlament, Giorgia Meloni, zu haben. Ist eine Aufnahme ihrer Fratelli d’Italia in die EVP-Fraktion nach der Wahl aus Ihrer Sicht wünschenswert?

Das ist momentan kein Thema. Giorgia Meloni ist die Parteichefin der ECR, ich der EVP. Aber es stimmt, wir arbeiten zum Beispiel beim Migrationspakt gut zusammen – ebenso punktuell mit den Sozialdemokraten und Liberalen. Mit Rechtsextremen und Europafeinden haben wir nichts zu tun, sie sind unsere Gegner.

Zur Person

Manfred Weber (CSU) leitet die EVP-Fraktion im Europaparlament und ist auch Chef der Europäischen Volkspartei. Der 51-Jährige war EVP-Spitzenkandidat 2019, an seiner Stelle wurde jedoch Ursula von der Leyen zur Kommissionspräsidentin ernannt.

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.