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Europas Luftabwehr „Sky Shield“ folgt „gleicher Logik“ wie Israels Flugabwehr

Deutsche Luftabwehr in Warbelow im Landkreis Rostock.
Deutsche Luftabwehr in Warbelow im Landkreis Rostock.Imago / Imago
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Bundesheer-Experte Hofbauer sieht in der Erfolgsquote des israelischen Systems von 90 Prozent ein „sehr hohes Ziel“. Für Österreich stehe die Kooperation im Beschaffungsbereich im Vordergrund.

Das israelische Luftverteidigungssystem, das sich gegen den iranischen Großangriff bewährt hat, „verfolgt die gleiche Logik“ wie die geplante europäische Sky Shield Initiative. Das sagte der Chefplaner des österreichischen Bundesheers und stellvertretende Generalstabschef, Generalleutnant Bruno Hofbauer, gegenüber der Austria Presse Agentur. Beide Schutzschirme wollen Bedrohungen aus der Luft auf mehreren Ebenen bekämpfen: Im Bereich kurzer, mittlerer und großer Reichweite.

Die angegebene Erfolgsquote des israelischen Abwehrsystems von 90 Prozent sieht Hofbauer als „sehr hohes Ziel“. Er sei „durchaus überrascht über die Qualität dieses Produkts“, räumte der Militärexperte ein. Üblicherweise gehe man von einer 50-prozentigen Wahrscheinlichkeit eines Treffers aus, weil auch Ausweichmanöver und technische Schwierigkeiten eingerechnet werden müssen, erläuterte Hofbauer.

Die Schichten der israelischen Luftabwehr

Der israelische Iron Dome (Eisenkuppel) hat laut Hofbauer eine „überschaubare Reichweite“ von 15 bis 20 Kilometern. Das Haupteinsatzgebiet sei daher die Abwehr von Kurzstreckenraketen. Aber auch Artilleriegranaten könnten damit in der Luft zerstört werden. Insgesamt würde ein Gebiet von 150 Quadratkilometern geschützt. Zum Vergleich: Die Fläche Wiens beträgt 415 Quadratkilometer.

Für größere Raketen und Marschflugkörper mit einer Reichweite bis zu 250 Kilometern kommt in Israel das System David's Sling (Schleuder Davids) zum Einsatz. Für ballistische Raketen größerer Reichweite hat Israel darüber hinaus das Arrow-Abwehrsystem. Laut Hersteller kann Arrow 3 Abfangraketen in der Höhe von 100 Kilometern abschießen und hat eine Reichweite von bis zu 2.400 Kilometern. Arrow 3 sei in der Lage, Raketen außerhalb der Erdatmosphäre abzufangen, ergänzte Hofbauer. „Der Gegner ist ganz klar der Iran und die dort vorhandenen Raketenarsenale.“

Auch Sky Shield verfolge diesen „Layer“-Ansatz, betonte Hofbauer, wobei hier für Österreich die Kooperation im Beschaffungsbereich im Vordergrund stehe, um neue Fähigkeiten aufzubauen, die das Bundesheer bisher nicht hatte. „Dann würden auch wir in diese Zwiebelschale kommen und nicht nur wenige tausend Meter Reichweite haben, sondern in der mittleren Reichweite von 40 bis 50 Kilometern um ein Objekt eine Schutzschicht aufbauen können und in der großen Reichweite über 100 Kilometer kommen.“

35-Millimeter-Zwillingsmaschinenkanonen

Im Kurzstreckenbereich habe Österreich seit Jahren ein Kanonensystem im Einsatz. „Das wird gerade kampfwertgesteigert.“ Konkret handle es sich um 35-Millimeter-Zwillingsmaschinenkanonen, wovon Österreich 24 Stück besitze. Dazu kommen auf kurzer Reichweite 36 Stück des Fliegerabwehr-Turms Skyranger, die das Bundesheer bestellt hat. Die Skyranger werden auf „Pandur“-Panzer montiert und sind dadurch mobil einsetzbar.

Österreich wolle im Rahmen der Sky Shield Initiative ein System mittlerer Reichweite aufbauen. Das sei in den Finanzmitteln des Aufbauplans für das Bundesheer bereits enthalten. Dazu laufen Gespräche und Beurteilungen. Bis zum Sommer werde der Generalstab eine Empfehlung abgeben können, meinte der stellvertretende Generalstabschef. Das deutsche Mittelstrecken-Luftabwehrsystem Iris-T sei „eine sehr gute Möglichkeit“. Eine Verfügbarkeit sei frühestens ab den Jahren 2027 oder 2028 vorstellbar.

Auch Flugabwehrsysteme größerer Reichweite wie „Patriot“ seien „in der Beurteilung“. „Dazu braucht es aber eine eigene Finanzierung“, betonte Hofbauer. Die Planungsphase dafür würde das ganze heurige Jahr brauchen. Deutschland hat den Kauf von Arrow 3 im Rahmen von Sky Shield bereits vereinbart.

„Raketentechnologie schreitet voran“

Angesprochen auf die Kosten solcher Systeme antwortete Hofbauer, dass Österreich, das neutral und nicht Teil eines Bündnisses sei, „alles tun muss, um die Bevölkerung zu schützen“. Man könne Bedrohungen aus der Luft nicht ausschließen und wisse nicht, wie sich die Lage in den kommenden Jahren entwickle. „Die Raketentechnologie schreitet voran.“ Bis die verschiedenen Systeme einsetzbar seien, das Personal geschult und die Logistik funktioniere, dauere es acht bis zehn Jahre. Deswegen seien Systeme, die sich im Einsatz bewährt haben, „ein Faktor“. Schätzungen zufolge soll die Abwehr des iranischen Angriffs in der Nacht auf Sonntag Israel rund eine Milliarde Euro gekostet haben.

Israel will zur Drohnenabwehr auch ein kostengünstiges Lasersystem verwenden. Das bezeichnete Hofbauer noch „im Bereich des Experimentellen“. Laser seien derzeit noch sehr wetterempfindlich, was bei österreichischen Wetterverhältnissen zum Problem werden könnte. Österreich solle im Laser-Bereich daher noch technische Entwicklungen abwarten. In der Drohnenabwehr gebe es außerdem Möglichkeiten im elektromagnetischen Bereich. Die Technologie sei hier „schon recht ausgereift“. Allerdings würden Drohnenhersteller versuchen, dem entgegenzusteuern.

„Sky Shield Initiative“: Eine deutsche Initiative

Die „European Sky Shield Initiative“ (ESSI) wurde von Deutschland initiiert, Ziel ist die Stärkung der Luftraumabwehr vor dem Hintergrund des russischen Angriffskriegs in der Ukraine. Mit ESSI soll ein Schutzschirm über die teilnehmenden Länder gespannt werden, der Drohnen und Raketen (auch ballistische und atomar bestückte) frühzeitig erkennen und abwehren kann. Die Initiative wurde am 13. Oktober 2022 von 13 EU-Staaten sowie Großbritannien und Norwegen gegründet. Außerdem sind die NATO-Staaten Slowakei, Lettland, Ungarn, Bulgarien, Belgien, Tschechien, Finnland, Litauen, Niederlande, Rumänien, Slowenien, Estland sowie Dänemark und Schweden dabei. Als einzige neutrale Länder unterzeichneten Österreich und die Schweiz am 7. Juli 2023 eine Absichtserklärung zur Teilnahme. Die Schweizer Regierung genehmigte unlängst ein entsprechendes Memorandum of Understanding. (Alexandra Demcisin/APA)

APA / Margret Schmitt

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