Publikumsmagnet. Für die wandernde Design-Leistungsschau Alcova begaben sich Fans des Formats diesmal in den Vorort Varedo. Dort bespielte die Ausstellung die Villa Bagatti Valsecchi (Bild) und die modernistische Villa Borsani.
Milano Design Week

Auf gute Geschäfte und kreative Entdeckungen im Fuorisalone-Mailand

Der Fuorisalone-Parcours führt quer durch Mailand und bis in die Vorstadt. Nicht immer ist in diesen Tagen dasselbe gemeint, wenn man sich mit „Buon Salone!“ begrüßt.

Natürlich wünscht man sich auch während des Ausnahmezustands der Salone-del-mobile-Tage in Mailand weiterhin eine „Buona giornata“. Aber es gibt auch diejenigen, die sich hoffnungsvoll, aufmunternd (und je nach Zeitpunkt wohl auch schon etwas erschöpft) einen „Buon Salone!“ zurufen. Wenn nämlich die lombardische Großstadt einmal im Jahr für ein paar Tage zur Designwelthauptstadt wird, in der es längst nicht mehr nur um die auf dem Messegelände vorgestellten Möbelkollektionen geht, dann betrifft das auch die meisten Bereiche des Alltagslebens. Neben dem, was draußen am Messengelände, der Fläche des eigentlichen Salone, vor sich geht, strahlen die maßgeblichen Impulse in das Stadtzentrum aus, das zum Schauplatz des „Fuorisalone“ wird.

Zeitgefühl. In der Designgalerie Ninufar von Nina Yashar war die Gruppenausstellung in der Nilufar-Depot-Dependance diesmal mit „Time Traveler“ überschrieben. Man zeigte Handverlesenes, etwa von Andrés Reisinger.
Zeitgefühl. In der Designgalerie Ninufar von Nina Yashar war die Gruppenausstellung in der Nilufar-Depot-Dependance diesmal mit „Time Traveler“ überschrieben. Man zeigte Handverlesenes, etwa von Andrés Reisinger. Alejandro Ramirez Orozco

Im Brera-Viertel, in der Zona Tortona, an anderen neu­ralgischen Punkten lockt hinter gefühlt jedem Schaufenster ein Programmpunkt, der sich nicht an das Fach-, sondern ein allgemeines Publikum wendet. Und dieses flutet die Corsi und Vie Mailands in diesen Tagen zuhauf. Abends ist die Traube der Designaffinen, Designprofis und Designer vor der Bar Basso so groß, dass man beim Ankommen fast den Gedanken aufgibt, während einer solchen Serata an einen der Drinks in den berühmten riesigen Gläsern zu kommen.

Jugendarbeit. Bis zum Alter von 40 Jahren gilt man im Hause Dolce & Gabbana noch als Designnachwuchs: Das war nämlich die Altersgrenze für die Gruppenausstellung „Gen D“, zu der das Duo zum zweiten Mal eingeladen hatte.
Jugendarbeit. Bis zum Alter von 40 Jahren gilt man im Hause Dolce & Gabbana noch als Designnachwuchs: Das war nämlich die Altersgrenze für die Gruppenausstellung „Gen D“, zu der das Duo zum zweiten Mal eingeladen hatte. Beigestellt.

Und wenn das „T Magazine“, „Schaufenster“-Pendant der „New York Times“, im Mid-Century-Setting der Villa Necchi Campiglio (man kennt sie als Schauplatz zahl­reicher italienischer Filme) sein 20-jähriges Bestehen feiert, dann versucht man sich innerhalb der Salone-Community eben gegenseitig auf diese Gästeliste, „Hot Ticket“ des Abends, zu bringen.

All dies macht die Tage des Fuorisalone am Ende auch für das ganze Stadtleben so prägend: Dass das meiste nicht hinter verschlossenen Türen stattfindet, sondern Passantinnen und Flaneure einlädt, innezuhalten und bei den Miniausstellungen der Anbieter mit mehr oder weniger Produkt- und Möbeldesignbezug einzukehren.

Farbgebung. Der Fuorisalone-Beitrag von Gucci-Designer Sabato De Sarno war mit „Design Ancora“ überschrieben. In einem von Guillermo Santomà gestalteten Textil-Environment zeigte man italienische Klassiker im „Ancora“-Rotton des Hauses.
Farbgebung. Der Fuorisalone-Beitrag von Gucci-Designer Sabato De Sarno war mit „Design Ancora“ überschrieben. In einem von Guillermo Santomà gestalteten Textil-Environment zeigte man italienische Klassiker im „Ancora“-Rotton des Hauses.Delfino Sisto Legnani

Ein Designpalast

Vor ein paar Jahren war die Aufgabenteilung noch etwas klarer: Auf der Messe wurden Geschäfte gemacht und Bestellungen von Handelspartnern entgegengenommen, im Zentrum stieg die Gaudi. Seit der Pandemie finden jedoch immer mehr Präsentationen durchaus auch der großen Anbieter außerhalb des Messegeländes, also „fuori Salone“, statt. Das kommerziell ausgerichtete Treiben verlagert sich zunehmend auch in die innerstädtischen Showrooms, nur wenige verzichten ganz auf eine Präsenz vor Ort. Insofern kann der „Buon Salone“-Wunsch wohl auch Unterschiedliches bedeuten: Die einen wünschen einander, oder auch primär sich selbst, gute Geschäfte; die anderen drücken die Hoffnung aus, auf innovative, originelle, bahnbrechende Ergebnisse kreativer Arbeit zu treffen.

Rückkehr. Zum ersten Mal seit 2019 trommelte die Kreativ-Außenwirtschaft wieder österreichische Designlabels für eine Gruppenausstellung zusammen. 31 von ihnen zeigten Ausschnitte ihrer Arbeit im „Design Palazzo Austria“.
Rückkehr. Zum ersten Mal seit 2019 trommelte die Kreativ-Außenwirtschaft wieder österreichische Designlabels für eine Gruppenausstellung zusammen. 31 von ihnen zeigten Ausschnitte ihrer Arbeit im „Design Palazzo Austria“.Beigestellt

Für einen ambitionierten Fuorisalone-Parcours sollte man gute Kondition mitbringen. Viele kurze Wege entlang der Via Durini oder des Corso Garibaldi, die man nur zu Fuß geht, ergeben am Abend dann doch eine stolze Schrittestatistik, womöglich in den Zwanzig­tausendern. Und das ohne Stärkung in der Bar Basso, wobei allerdings auf Schritt und Tritt für Unterhaltung gesorgt ist. So war zum ersten Mal seit 2019 Teil des diesjährigen Programms wieder ein Gruppenauftritt österreichischer Designlabels: Der „Design Palazzo Austria“, purpurn beflaggt und ausgeschlagen, präsentierte 31 Designpositionen im Setting des erstmals als Fuorisalone-Location ergatterten Palazzo Confalonieri.

Hommage. Des 100. Geburtstags von Designerin und Architektin Cini Boeri gedachte man bei Loro Piana (heuer ebenfalls 100 Jahre alt). Ikonische Entwürfe von Boeri wurden mit den edlen Stoffen von Loro Piana Interiors überzogen.
Hommage. Des 100. Geburtstags von Designerin und Architektin Cini Boeri gedachte man bei Loro Piana (heuer ebenfalls 100 Jahre alt). Ikonische Entwürfe von Boeri wurden mit den edlen Stoffen von Loro Piana Interiors überzogen. Beigestellt

Neben den Möbelherstellern haben längst auch Marken aus anderen Lifestyledisziplinen die Milano Design Week für sich entdeckt und präsentieren Duftstäbchen (Astier de Villatte), Parfum (Frédéric Malle, Aesop) und andere Kreationen aus Modedesignerhand. Sabato De Sarno von Gucci etwa färbte italienische Designklassiker im dunklen „Rosso Ancora“ der Marke ein und zeigte diese in einem limettengrünen Textilenvironment.

Bei Hermès zelebrierte man das 100-jährige Bestehen des Stammhauses an der Rue du Faubourg Saint-Honoré mit einer Gegenüberstellung von Objekten aus dem Archiv und Neuheiten, und Dolce & Gabbana luden junge (also: U-40) Designer für eine Gruppenausstellung ein. Bei Fendi Casa konnte man auf verschränkten F-Buchstaben sitzen, bei Bottega Veneta über aufgetürmte Holzboxen mit Lederbezug kraxeln (zumindest gedanklich), und Giorgio Armani öffnete die Pforten seines Palazzo Orsini.

Barocco lombardo

Eine Reise nach Mailand würde sich indessen auch allein wegen der wandernden Kreativ-Leistungsschau Alcova lohnen, die jedes Jahr andere Locations bespielt. Diesmal bat man in den Vorort Varedo, wo einige Hundert Meter voneinander entfernt die Villa Borsani und die Villa Bagatti Valsecchi vom Kuratorenteam mit einem Potpourri aus Designpositionen bestückt worden waren. Während das Borsani-Haus ein etwas verwinkelter Klassiker der Moderne ist, bietet die Villa Bagatti Valsecchi als Beispiel des lombardischen Barocks großzügige Raumfluchten. Über 70 Aussteller verzeichnete Alcova, ihre Erzeugnisse reichten von niedlichem Silberbesteck bis zu aus Steinblöcken gemeißelten Tischunikaten. Wie man diese durch das Wohnzimmer verschiebt, wenn einem der Sinn nach Umräumen steht, war allerdings keine der Stilfragen, die man beim Fuorisalone erörterte.

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