Beef im Hip-Hop

Drake vs. Kendrick Lamar: „Ich bin der Größte!“ „Nein, du Zwerg!“

Früher haben sie zusammen Musik gemacht, jetzt beschimpfen sie sich: Kendrick Lamar und Drake.
Früher haben sie zusammen Musik gemacht, jetzt beschimpfen sie sich: Kendrick Lamar und Drake. Imago/APA/AFP
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Kendrick Lamar schimpft über Drake, der textet zurück, andere mischen sich ein, und schon gibt es einen riesigen „Beef“ in der Hip-Hop-Welt.

Der „Beef“ ist eine Kunstform des Raps: Das gegenseitige Sich-ausrichten kann elegant ausfallen oder niveaulos, Fortgeschrittene richten das Wort gegen sich selbst, um dem Gegner die Munition wegzunehmen. Dieser Tage erlebt der Rapper-Streit, der so alt ist wie der Hip-Hop selbst, eine neue Blüte: Nach Jahren schwelender Spannungen dissen (verunglimpfen) Kritikerliebling Kendrick Lamar und Superstar Drake einander nun öffentlich. Vom „Beef des Jahrzehnts“ sprechen US-Medien.

Angefangen hat Kendrick Lamar. Es gab Zeiten, in denen Drake und er zusammengearbeitet haben, doch die sind lange vorbei. Von „Warnschüssen“ zwischen den beiden weiß das Magazin „GQ“ aus der jüngeren Vergangenheit zu berichten. Hier ein abwertender Satz in einem Interview, dort eine mehrdeutige Textzeile, aber nie so viel, dass es zum offenen Krieg der Worte kam. Bis jetzt: Ende März erschien der Song „Like That“, eine Kollaboration des hochproduktiven Future (dessen Texte übrigens oft misogyn sind) mit Musikproduzent Metro Boomin und eben Lamar, dessen dichte und wuchtige Zeilen eindeutig gegen Drake gerichtet sind.

»Motherfuck the big three, it‘s just big me«

Kendrick Lamar

in „Like That“

„I choose violence“, er wähle Gewalt, rappt Lamar gleich am Anfang und zieht über die Hit-Single „First Person Shooter“ von Drake mit Rapper J. Cole her: Sie würden eine Menge Waffen brauchen, unterstellt ihnen Lamar mangelnde Treffsicherheit. Er erwähnt Drakes letztes Soloalbum „For All The Dogs“ – und lässt seine Zeilen am Tierfriedhof enden. Auch Cole bekommt sein Fett ab, Lamar nennt ihn quasi einen schlechteren Andre 3000, eine Legende im Hip-Hop-Genre. Vor allem stört er sich daran, mit Drake und Cole als „big three“ in einen Topf geworfen zu werden: „Motherfuck the big three, it‘s just big me“, so Lamar. Dann hat er noch eine Nachricht an Drake, der aufgrund seines Erfolges mit Michael Jackson verglichen wird: „Prince outlived Mike Jack“, rappte er, mit letzterem vergleicht er sich natürlich selbst.

Dank KI mischt Tupac mit

Für seine Antwort ließ sich Drake Zeit. Nach drei Wochen tauchte im Internet ein Lied auf, von dem erst nicht klar war, ob es vom Rapper selbst stammt oder von einer Künstlichen Intelligenz (KI). Vergangenen Samstag landete das Lied dann (mit verbessertem Beat) auf den Streamingdiensten: „Push Ups“ ist eine große Abrechnung, mit allen, die sich seit der Veröffentlichung von „Like That“ auf die Seite seines Konkurrenten gestellt haben, besonders aber mit Lamar. Ein zentraler Angriffspunkt sticht sich schon am Cover des Songs ins Auge – zu sehen ist ein Aufklebeetikett wie von einer Schuhschachtel, dazu die unvermeidliche „Parental advisory“-Warnung vor Schimpfwörtern. Schuhgröße 40 weist das Schildchen aus und Drake verwendet viel Zeit darauf, Lamar, nicht gerade groß gewachsen, klein zu nennen. „Pipsqueak“ nennt er Lamar, Winzling, dieser habe einen „midget ass“, Zwergenhintern. Drake fragt sich: „What’s a prince to a king?“ und gibt sich gleich die Antwort: „He a son.“

Vor allem geht es Drake um den Preis von Erfolg. Das letzte Album sei gefloppt, erinnert er Lamar, und wirft ihm gleichzeitig Ausverkauf vor: Er würde bei Fuß stehen, wenn Mainstream-Künstler wie Maroon 5 eine Strophe brauchen würden, oder Taylor Swift (mit der dieser wirklich zusammenarbeitete). Fast vier Minuten geht die Tirade.

Damit nicht genug. Vor wenigen Tagen legte er „Taylor Made Freestyle“ nach. Dafür holte er sich künstlich Schützenhilfe: Auf der Nummer rappen dank KI der schon 1996 verstorbene Übervater Tupac Shakur, sowie Snoop Dogg – beide drängen Lamar dazu, endlich zu reagieren. Drake selbst steigt gegen Schluss ein und fordert seinen Kontrahenten auf, er solle doch endlich seinen Diss gegen ihn veröffentlichen, den er schon vier Jahre unter Verschluss halten soll. Oder, mutmaßt Drake, wolle Lamar Taylor Swift ihren Hype um ihr neues Album nicht vermiesen? Ein seltsamer, immerhin eingängiger Beitrag zur KI-Debatte in der Musikwelt.

Lamar indes ist still. Andere haben das Vakuum bereits gefüllt: Future und Metro Boomin legten mit dem Album „We Still Don‘t Trust You“ nach, mit prominenten Gästen A$AP Rocky und The Weeknd. Sie fragen sich, ob Drakes Gangster-Imago nicht überholt sei, wo er doch jetzt vor allem Tik-Tok-Videos mache. Rapper Rick Ross, einst ein Freund, legte die Latte noch tiefer und warf Drake in „Champagne Moments“ vor, dessen Sixpack sei nicht echt – woraufhin der Angesprochene mit Beleidigungen über Ross‘ Haus konterte.

„Keep it real“ ist ihr Credo

Ob Schönheits-OP oder Gangster-Leben: In Beefs (generell) geht es meist um Authentizität. „Keep it real“ ist das Credo dieser Männer, die oft einen steilen Aufstieg aus ärmlichen Verhältnissen erlebt haben. Nicht ist kränkender, als wenn ihre Echtheit infrage gestellt wird. Reich sein? Ja, gerne, nur bloß nicht die Bodenhaftung verlieren! Wieso es gerade im Rap diese Tradition des öffentlichen Beefs gibt, mag an der hochkompetitiven Natur des Genres liegen. In „Battles“, Schlachten, versuchen Rapper einander rhetorisch zu übertrumpfen. Wer als Sieger hervorgeht, gilt auch als moralisch überlegen.

Im besten Fall ist der „Beef“ ein Verbalduell mit kreativem Ergebnis. Im schlechtesten geht er blutig aus. Wie bei Tupac Shakur und The Notorious B.I.G., die die Fehde zwischen Rappern der Ostküste und jenen der Westküste nicht überlebten.

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