Morgenglosse

Giorgia Meloni sollte „Bella Ciao“ singen

Italiens Premierministerin Giorgia Meloni
Italiens Premierministerin Giorgia Meloni APA / AFP / Andreas Solaro
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Für die Premierministerin ist der Antifaschismus ein Tabu: Dabei ist Antifaschismus keine politische Meinung. Sondern die rechtliche und ideologische Grundlage des demokratischen Italiens.

Heute ist in Italien Feiertag. Eigentlich ein Tag, der froh stimmen sollte. Immerhin wird am 25. April die Freiheit zelebriert, die Befreiung Italiens 1945 von NS-Besatzern und Faschismus. Doch rechte, rechtspopulistische und rechtsnationale Politiker, die derzeit das Land regieren, sind nicht in Feierlaune. Der 25. April sei „links“. Und daher nicht ihr Tag.

Die sonst sehr eloquente Ministerpräsidentin Giorgia Meloni hat das Wort „Antifaschismus“ seit ihrem Amtsantritt 2022 noch nie öffentlich ausgesprochen. Es wird spannend, ob ihr der Begriff heute über die Lippen kommt. Der Text eines berühmten Schriftstellers, der den Antifaschismus würdigt, durfte im öffentlich-rechtlichen Sender Rai jedenfalls nicht verlesen werden.

Das alles hat Geschichte. Melonis „Fratelli d‘ Italia“ sind die politischen Enkel jener loyalen Faschisten, die während der Republik von Salò 1943-45 für Benito Mussolini Partisanen bekämpften. In einem blutigen Bürgerkrieg, der lange nach dem Zweiten Weltkrieg weiter tobte, eigentlich bis in die blutigen Terrorjahre der 1970er und 80er. Und dessen Wunden immer noch weit offen liegen.

So offen, dass die Resistenza heute noch spaltet. Ihre Geschichte war das erste Opfer des Bürgerkrieges: Die kommunistische Partei Italiens stilisierte sich zu ihrer Erbin. Linksradikale der 1970er nannten Kritiker und Gegner „Faschisten“, sie waren ja die „Antifaschisten“.

Ein Christdemokrat erfand den Feiertag

Der Antifaschismus war aber nie ausschließlich „links“. In der Resistenza waren sämtliche Parteien und politische Richtungen vertreten, Republikaner und Monarchisten, Christdemokraten, Liberale, Sozialisten und Kommunisten. Viele Partisanen und Partisaninnen waren parteilos.

Auch war der 25. April nie rot: Der antifaschistische „Comitato di Liberazione“, der am 25. April 1945 zum Aufstand in allen noch besetzen Gebieten Norditaliens aufrief, bestand aus Parteien aller Couleur. Und es war ein Christdemokrat, Alcide De Gasperi, der 1946 den 25. April zum Nationalfeiertag machte.

Vor allem: Italien ist antifaschistisch – und zwar de jure. Die Faschistische Partei, sowie die Apologie des Faschismus, sind verboten: Das steht in Gesetzen und in der Verfassung. Meloni sollte sich daran erinnern: Antifaschismus ist keine politische Meinung. Antifaschismus ist die ideologische und rechtliche Grundlage der italienischen Republik. Wenn nun ausgerechnet die Regierungschefin den „Antifaschismus“ zum Tabu macht, ist das ein Alarmzeichen für den Zustand der Demokratie und ihres historischen Gedächtnisses.  

Übrigens: Auch „Bella Ciao“ sollte Meloni mitsingen. „Bella Ciao“ war nicht die Hymne der kommunistischen Partisanen, wie so viele behaupten. Es ist ein altes Lied, möglicherweise sangen es erschöpfte Reisbäuerinnen. In der Resistenza dichteten es Partisanen um, statten es mit einem möglichst persönlichen, parteilosen Text aus. Sie wollten die Werte des Antifaschismus zelebrieren.   

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