Im Kino

„The Fall Guy“: Der größte Held ist immer noch der Stuntman

Die Chemie zwischen den beiden stimmt: Ryan Gosling und Emily Blunt sind ein wunderbar verschmitztes Duo. Zuletzt sah man ihn als Ken in „Barbie“, sie als Physikergattin in „Oppenheimer“.
Die Chemie zwischen den beiden stimmt: Ryan Gosling und Emily Blunt sind ein wunderbar verschmitztes Duo. Zuletzt sah man ihn als Ken in „Barbie“, sie als Physikergattin in „Oppenheimer“.Universal Pictures
  • Drucken

Ryan Gosling in einem wahnwitzigen Actionspektakel: „The Fall Guy“ verneigt sich vor den Stuntleuten Hollywoods. Und ist dabei ein großer Spaß.

Um „The Fall Guy“ zu würdigen, muss man eigentlich mit dem Ende beginnen: Da sieht man im Abspann die vielen Stuntmänner, die die wahnwitzigen Szenen des vorangegangenen Films möglich gemacht haben. Sie haben sich rücklings von Kränen fallen lassen, sich achteinhalb Mal im Auto überschlagen (was übrigens ein neuer Rekord ist), sich von einem Hubschrauber-Kufen zum anderen geschwungen, sind im Motorboot durch ein Flammenmeer gefahren. Und haben danach immer wieder zuversichtlich in die Kamera gegrinst: Daumen hoch, uns geht‘s gut!

Wie viele höchst trainierte und höchst schmerzunempfindliche Leute nötig sind, um einen modernen Action-Blockbuster zu drehen, kann man leicht vergessen. Sieht es am Ende doch stets so aus, als hätte ein einziger Held im Alleingang, mit schierer Kraft und unversiegbarem Einfallsreichtum, all diese Tricks vollführt. Die Idee vom toughen, unermüdlichen Einzelkämpfer lässt auch „The Fall Guy“ hochleben – und doch ist der Film, der ab Dienstag in den Kinos läuft, die vielleicht witzigste und würdigste Liebeserklärung an das Stunt-Fach, das Hollywood bisher hervorgebracht hat.

Überhaupt ist „The Fall Guy“ Action-Kino der guten, weil auf schlaue Art selbstironischen Sorte. Das jüngste Werk von Regisseur David Leitch, der mit „Deadpool 2“ und zuletzt mit „Bullet Train“ sein Händchen für gewitzte, kunstvoll überdrehte Komödien mit Nahkampfkomponente bewiesen hat, ist eine Hommage an die gleichnamige 80er-Jahre-TV-Serie, die bei uns unter dem Titel „Ein Colt für alle Fälle“ gezeigt wurde. Nun spielt Ryan Gosling den Stuntman Colt Seavers, und Emily Blunt die Kamerafrau und Regisseurin Jodie Moreno – dass es für die beiden die ersten Kinorollen seit ihren Auftritten als Ken in „Barbie“ und als Physikergattin Kitty in „Oppenheimer“ sind und damit quasi ein „Barbenheimer“-Duo zusammen über die Leinwand jagt, hat der Vermarktung des Films sicher nicht geschadet.

Romantische Verwicklungen

Da stehen sie nun also am Filmset – und Jodie lässt Colt anzünden. Immer wieder. Noch ein Take! Zwischendrin gibt sie ihm ein bisschen „Kontext“, er soll ja wissen, wofür er hier brennen muss: Durchs Megaphon erzählt sie ihm vom Plot des Films, den sie hier dreht (es ist eine megalomanische Wüsten-Weltraumromanze, eine verrückte „Star Wars“- und „Mad Max“-Parodie). Von einem Space-Cowboy, der verwundet wurde und danach jeden Kontaktversuch seiner großen Liebe abgeschmettert hat, was diese schwer verletzt hat … Moment, nein, das ist nicht der Filmplot, das ist eine Tirade über die jäh abgebrochene romantische Verwicklung von Jodie und Colt: Dieser war beim Versuch, eine Sturz-Szene zu drehen, nicht ins Seil, sondern auf den Boden geknallt, brach sich dabei Rücken und Ego – und zog sich zurück. Nun wagt er ein Comeback, beruflich wie amourös, was in diesem Film kein großer Unterschied ist: Action sei doch das beste Symbol für das Streben nach Liebe, erklärt Jodie. Nachdem sie ihn noch ein paar Mal anzünden lässt.

Das ist die romantische Komponente des Films, die ziemlich aufgeht, auch weil Emily Blunt und Ryan Gosling ein wunderbar verschmitztes, neckisches Duo abgeben. Eine kriminalistische Komponente treibt die Handlung voran: Die Produzentin Gail (Hannah Waddingham reaktiviert ihre zweischneidige Managerin aus „Ted Lasso“) setzt Colt darauf an, den verschwundenen Schauspieler Tom Ryder (James-Bond-Kandidat Aaron Taylor-Johnson als intellektuell überforderter Schönling) zu finden, dessen Stuntdouble Colt ist.

Das Komplott, in das er sich dabei stürzt, ist eigentlich aber nebensächlich. Hauptsächlich geht es darum, dass Ryan Gosling – der hier übrigens nach „Drive“ und „The Place Beyond the Pines“ schon zum dritten Mal einen Stuntmann spielt – hier ein Sinnbild eines treuherzigen, selbstlosen, aber durch und durch coolen Heldens abgibt: Am Set steckt er, ohne zu jammern, die Schläge ein, für die andere dann gefeiert werden. Bei seinen Ermittlungen, die bald in ein wüstes Verfolgungsspiel ausarten, zeigt er sein ganzes Können – mit aberwitziger Leichtigkeit: Da lenkt er etwa völlig ungestresst mit hinter dem Rücken gefesselten Händen ein Boot durch den Hafen von Sydney, während er von Männern mit Maschinengewehren verfolgt wird – und ruft zwischendurch mal Jodie an. Nur zum Plaudern.

Ein Reiz des Films liegt freilich auch am selbstbewusst dargebotenen Zuviel: In einer geradezu verschwenderischen Dichte werden hier Action-Motive aneinandergereiht und die unterschiedlichsten Kampfszenen und Gags aufeinander gestapelt: Da liefern sich Alien in Siebenmeilenstiefeln Schwertkämpfer im künstlichen Regen, da surft Colt zu 80er-Jahre-Schnulzen auf einem abgerissenen LKW-Teil durch den Straßenverkehr, da lösen sich drogeninduzierte Neon-Kampffantasien, ein dressierter Hund, der nur französisch spricht und Pyrotechnik-Gewitter ab. Man könnte nie sagen, es würde nicht der Geschichte dienen: Ein großer Spaß.

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.