Economist-Insider

Keine Eile bei der Pensionsreform? Das sehen nicht alle so

Caio Kauffmann
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Das Antrittsinterview der neuen Vorsitzenden der Alterssicherungskommission in der „Presse“ sorgte für einige Aufregung. Über die Genese einer Geschichte.

             

Jeannine Hierländer
stv. Ressortleiterin Economist

Jeannine Hierländer
 

Guten Morgen!

Vorige Woche habe ich einen Aufreger produziert. Anlass war ein Interview mit Christine Mayrhuber, der neuen Vorsitzenden der Alterssicherungskommission. Falls Sie diese Kommission nicht kennen, sind Sie in guter Gesellschaft, sie ist außerhalb des polit-medialen Komplexes kaum jemandem ein Begriff. Die Kommission hat de facto keinen Einfluss, sie ist mehr ein politisches denn ein fachliches Gremium und die wenigen unabhängigen Experten, die dort neben Sozialpartnern und Parteipolitikern sitzen, haben nicht einmal ein Stimmrecht. 

Per Statut ist die Kommission dazu da, die Entwicklung der gesetzlichen Pensionsversicherung und der Pensionen des öffentlichen Dienstes zu überwachen. In den Sitzungen wird viel diskutiert, aber, wie Mitglieder erzählen, weniger über die Zukunft des Pensionssystems denn über Weltanschauungen.  

Die Alterssicherungskommission ist innen wie außen ein Politikum. Der Vorsitz wird von der Bundesregierung bestellt, und ÖVP und Grüne konnten sich lange auf keinen Kandidaten bzw. keine Kandidatin einigen. Man wollte sich offensichtlich einen Unbequemlichkeitsfaktor wie Walter Pöltner ersparen. Der frühere Vorsitzende hatte im Herbst 2021 entnervt das Handtuch geworfen, nachdem seine Warnungen, dass das Pensionssystem in dieser Form nicht nachhaltig sei, von der Regierung regelmäßig in den Wind geschlagen worden waren. „Ich will nicht immer den Bösen spielen“, sagte er mir damals resigniert. 

Nun also Christine Mayrhuber. Die Wifo-Ökonomin gilt als ausgewiesene Pensionsexpertin, ist aber nicht gerade als alarmistisch verschrien. Es war also nicht kühn, zu prognostizieren, dass Mayrhuber der Regierung nicht mit Forderungen nach Pensionsreformen auf die Nerven gehen würde. Diese Vermutung bestätigte dann auch besagtes Antrittsinterview, das ich gemeinsam mit Kollegen vom „Kurier“ und der „Kleinen Zeitung“ führte. 

Für eine Pensionsreform müsse man in einem Zeithorizont „von zumindest zwei bis drei Jahrzehnten denken“, sagte uns Mayrhuber. Ein höheres gesetzliches Pensionsantrittsalter sei demnach erst nach 2033 sinnvoll. Auf die Frage, ob eine Pensionsreform ins Regierungsprogramm gehöre, sagte sie: „Es sind permanente Anpassungen nötig. Politisch ist aber auch irrsinnig viel passiert.“ Mayrhuber kritisierte den „Wildwuchs“ an kurzfristigen Maßnahmen und schlug vor, zu prüfen, ob man die Abschläge für Frühpensionisten neu berechnen sollte.

Aber eine klare Forderung nach einer raschen, umfassenden Pensionsreform, die stellte Mayrhuber definitiv nicht.  

Für meinen Artikel fasste ich das Interview also mit folgendem Titel zusammen: „Pensionsreform erst in zehn Jahren sinnvoll“. Das war destilliert, was Mayrhuber gesagt hatte. Klingt gar nicht so spektakulär, schlug aber ziemlich ein. Christoph Badelt, Vorsitzender des Fiskalrats und früher selbst Wifo-Leiter, widersprach der Ökonomin vehement: „Ich teile die Meinung der neuen Vorsitzenden der Alterssicherungskommission in keiner Weise“, sagte Badelt am Mittwoch, einen Tag nachdem mein Interview erschienen war, in der „ZiB2“. 

Daraufhin griff das Ö1-„Mittagsjournal“ das Interview auf.  Und beim Zuhören staunte ich nicht schlecht: Die Überschrift sei „ein bissl verkürzt“ dargestellt gewesen, rechtfertigte sich Mayrhuber.

Kurzer Exkurs in die Journalistenschule: Es ist das Wesen eines Titels, dass er verkürzt zusammenfasst, worum es im Artikel geht. Ich fand ihr Argument daher einigermaßen unoriginell. Zumal sie inhaltlich bei ihrer Position blieb. Warum auch nicht? Darauf hat sie, wie jeder Mensch in einer freien Demokratie, ein gutes Recht. 

Im selben Ö1-Journal wurde auch Mayrhubers Chef, Wifo-Direktor Gabriel Felbermayr, zu seiner Sicht auf das Pensionssystem befragt. Es sei „dringend, eine strategische Perspektive zu entwickeln“, wie sich das Pensionssystem über einen längeren Zeitraum entwickeln solle, sagte er.

Ich hoffe, ich habe das jetzt nicht verkürzt wiedergegeben. 

Herzlich, Ihre

Jeannine Hierländer

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