Morgenglosse

Wozu brauchen Sie Privatsphäre, wenn Sie nichts zu verbergen haben?

Ob Bargeld-Obergrenzen gegen Geldwäsche helfen, wird sich zeigen. 
Ob Bargeld-Obergrenzen gegen Geldwäsche helfen, wird sich zeigen. Getty (Ute Grabowsky)
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Privatsphäre in Geldangelegenheiten sollte der Normalfall sein. Und nicht die Ausnahme, die einer Rechtfertigung bedarf.

Die Gründer des Bitcoin-Unternehmens Samourai haben auf der Plattform X ein paar blöde Witze zu viel gemacht. Sie haben spaßeshalber russische Oligarchen eingeladen, die Dienstleistungen ihres Privatsphäre-Tools in Anspruch zu nehmen. Dieses ermöglicht es, seine Bitcoin mit denen von anderen so zu vermischen, dass eine Zuordnung erschwert wird. Bei sehr großen Vermögen wie von Oligarchen funktioniert das freilich nicht so gut. Die US-Behörden fanden es trotzdem nicht witzig. Die beiden Gründer des App-Anbieters wurden vorige Woche verhaftet, im schlimmsten Fall drohen ihnen nach einem Prozess langjährige Haftstrafen.

Die Causa spaltet die Gemüter. Die beiden hätten lediglich eine App programmiert, die Bitcoin-Nutzern hilft, ihre Privatsphäre zu schützen, meinen die viele. Das sei nicht illegal. Die Erfinder einer Technologie sollten nicht verantwortlich gemacht werden, wenn diese missbräuchlich verwendet wird. Die US-Staatsanwaltschaft meint indes, die beiden hätten wissentlich Geschäfte mit Verbrechern gemacht, das Thema Privatsphäre sei lediglich der Deckmantel für illegale Geschäfte gewesen. Das werden Gerichte entscheiden.

Argumente wie in der Bargelddebatte

Doch manche finden schon solche Apps an sich zweifelhaft: Wer außer Kriminellen sollte solche Dienstleistungen nutzen? Es ist das gleiche Argument wie in der Bargelddebatte. Das EU-Parlament hat kürzlich, um Geldwäsche zu bekämpfen, neue Regeln abgesegnet, wonach Barzahlungen von mehr als 10.000 Euro künftig verboten sind und Verkäufer von Luxusgütern mehr über ihre Kunden in Erfahrung bringen müssen.

Ob das gegen Geldwäsche hilft, sei dahingestellt. Interessant ist aber, mit welchen Argumenten Bedenken weggewischt werden: Wen außer Kriminelle sollte so etwas schon stören? Trifft das nicht eh nur Reiche? Und falls es Pensionisten sind: Sollten die aus Sicherheitsaspekten überhaupt so viel Bargeld horten? Warum sollte jemand partout auf einer Barzahlung bestehen, wenn er oder sie nichts zu verbergen hat?

Doch für den Wunsch nach Privatsphäre kann es viele gute Gründe geben: Der eine will vielleicht nicht, dass erfasst wird, wofür er sein Geld ausgibt und wo er sein Essen, seine Bücher und seine Medikamente kauft. Die andere will nicht, dass dokumentiert wird, wie viel von ihrem eigenen und versteuerten Geld sie schon ausgegeben hat und wie viel sie noch besitzt. Viele Menschen haben zwar gar kein Problem damit, solche Dinge anderen gegenüber kundzutun. Privatsphäre bedeutet aber, dass man selbst entscheidet, ob und wem man derlei mitteilen will.

Was muss der Staat wissen?

Doch ist es nicht besser, wenn wenigstens der Staat solche Dinge jederzeit in Erfahrung bringen kann, um Steuerhinterziehung, Geldwäsche und andere kriminelle Aktivitäten zu unterbinden? Gewiss nicht. Um Terroristen, Geldwäscher und andere Verbrecher zu bekämpfen, müssen sich Behörden eben gezielt auf die Spur von solchen machen. Und nicht präventiv Daten sammeln lassen oder gar selbst sammeln. Daten können ausspioniert oder irgendwann von undemokratischen Regimes missbräuchlich verwendet werden.

Und selbst wenn nicht: Privatsphäre in Geldangelegenheiten sollte, wie NSA-Whistleblower Edward Snowden meint, der Normalfall sein. Und nicht die Ausnahme, die einer Rechtfertigung bedarf.

beate.lammer@diepresse.com

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