Interview

Adi Hanan: Ein Debüt mit Adam und Eva

In Wien hat sie nie Anfeindungen erlebt: Seit der Spielzeit 2020/21 ist Adi Hanan Mitglied des Staatsballetts.
In Wien hat sie nie Anfeindungen erlebt: Seit der Spielzeit 2020/21 ist Adi Hanan Mitglied des Staatsballetts.Clemens Fabry
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Tänzerin Adi Hanan zeigt mit „Eden“ ihre erste längere Choreogafie an der Volksoper. Was sie an der Bibelgeschichte stört und wie sie als Israelin den Überfall der Hamas erlebte.

Seit vier Jahren ist Adi Hanan in Wien. Martin Schläpfer hat sie aus Oldenburg ans Staatsballett geholt, bei dem sie im Corps de Ballet tanzt. Hanan schätzt ihren Ballettdirektor: „Ich mag, was er kreiert. Das ist der Grund, warum ich in Wien bin.“ Am liebsten aber wollte sie ihre eigenen Choreografien machen, sagt sie im Gespräch mit der „Presse“. Im Vorjahr konnte sie im Rahmen der Plattform Choreografie an der Volksoper mit „Shadows“ eine erste eigene, wenige Minuten lange Choreografie vorstellen – und erntete großes Lob. „Es war ein Traum. Ich hätte nie gedacht, dass ich einmal die Chance kriegen werde“, freut sich Hanan. Da Schläpfer dermaßen beeindruckt war, lud er sie nun ein, für den Ballettabend „Les Sylphides“, der am 8. Mai an der Volksoper Premiere hat (Reprisen: 11., 13., 17., 22., 26., 23. Mai), etwas Längeres zu kreieren. Es wird neben Michel ­Fokines „Les Sylphides“ und „Jeunehomme“ von Uwe Scholz zu sehen sein.

„Ich hatte weniger als sechs Wochen Zeit, um das Stück zu erarbeiten“, sagt Hanan – neben zehn Auftritten in der „Kameliendame“ und zwei anderen Produktionen. Choreografiert wird in der Freizeit. Hat sie ein Role Model? „Ich liebe Crystal Pite. Sie ist großartig. Wie sie mit ihren Tänzern spricht. Die Qualität, die sie erreicht, die Art, wie sie mit Licht arbeitet, und die Tatsache, dass sie auch Mutter ist.“ Die Kanadierin kommt am Donnerstag mit einem Stück nach St. Pölten (siehe unten). Auch in Israels lebendiger Tanzszene findet Hanan Vorbilder wie Sharon Eyal oder Ohad Naharin, der mit Gaga eine eigene Tanzsprache erfunden hat.

„Es war ein Traum. Ich hätte nie gedacht, dass ich einmal die Chance kriegen werde“, freut sich Hanan. Weil er dermaßen beeindruckt war, beauftragte Schläpfer sie nun, für den Ballettabend „Les Sylphides“, der am 8. Mai an der Volksoper Premiere hat, etwas Längeres zu kreieren. Es wird neben Michel Fokines „Les Sylphides“ und „Jeunehomme“ von Uwe Scholz zu sehen sein. „Ich hatte weniger als sechs Wochen Zeit, um das Stück zu erarbeiten“, sagt Hanan – neben zehn Auftritten in der „Kameliendame“ und zwei anderen Produktionen. Choreografiert wird in der Freizeit. Hat sie ein Role Model? „Ich liebe Crystal Pite. Sie ist großartig. Wie sie mit ihren Tänzern spricht. Die Qualität, die sie erreicht, die Art, wie sie mit Licht arbeitet, und die Tatsache, dass sie auch Mutter ist.“ Die Kanadierin war am Donnerstag mit einem Stück in St. Pölten. Auch in Israels lebendiger Tanzszene findet Hanan Vorbilder wie Sharon Eyal oder Ohad Naharin, der mit Gaga eine eigene Tanzsprache erfunden hat.

„Die Story ist brillant“

Und warum choreografiert Hanan nun zum Thema „Eden“? „Wenn man in Israel aufwächst, studiert man die Bibel ab der zweiten Schulstufe, bis man 18 ist.“ Begeistert war sie von der Pflichtlektüre nicht. „Die Geschichte von der Vertreibung aus dem Paradies wurde derart platt erzählt, als wollte man uns sagen: ,Genau so war es.‘“ An der Tel Aviv University, an der sie ihren Bachelor machte, gewann sie eine philosophischere Sichtweise. „Die Story von Adam und Eva ist brillant. Da steckt viel mehr dahinter. Diese Geschichte thematisiert Gender, Sexualität und so viele Dinge, die nicht ausgesprochen wurden.“ Sie wollte das Thema daher anders aufarbeiten.

Im Oktober, gerade als sie begonnen hatte, sich mit ihrer Choreografie zu beschäftigen, kam der Schock: Als die Hamas Israel überfiel, tanzte Adi Hanan in „Coppélia“. „Es war grauenvoll. Es hat mich viel Kraft gekostet, auf der Bühne zu lächeln und konzentriert zu bleiben.“ Ihr Bruder wurde sofort eingezogen. Und auch wenn er jetzt wieder „zurück in seinem Leben“ ist, wie Hanan es ausdrückt: Diesmal sei es anders gewesen als das, was man in Israel als Normalität erlebe. Die ständigen Raketenangriffe sei man gewohnt. „Ich bin im Norden des Landes groß geworden, da war das unglücklicherweise an der Tagesordnung. Wenn es einen Alarm gibt, dann weißt du genau, was zu tun ist.“ Man lernt es schon im Kindergarten. „Hier in Europa ist alles so ruhig“, sagt Hanan. „Ich weiß, es gibt Probleme: die globale Erwärmung, die Wirtschaftskrise, der Krieg in der Ukraine – aber das ist nicht das Gleiche, wie wenn jeden Tag Raketen über deinen Kopf fliegen. Das macht etwas mit einem.“

Auch Hanan leistete ihren Militärdienst. „Als Tänzerin musste ich eine Audition machen.“ Wenn man sie schafft, wird der Wehrdienst angepasst. An der Grundausbildung kommt aber niemand vorbei. „Man lernt, Soldatin zu sein – mit allem, was dazugehört.“ Danach bekam sie eine Aufgabe, die mit Training und Vorstellungen vereinbar war. Zwei Jahre musste sie neben dem Engagement am Israeli Ballet dienen. „Es war sehr hart.“ In Wien fühlt sich Hanan wohl. Anfeindungen habe sie nie erlebt. „Ich gehe nicht in die Synagoge. Ich trage keine jüdischen Symbole. Ich zelebriere keine Feiertage. Ich verstehe mich als Tänzerin. Das ist meine Community.“ Und die ist international. „Da muss man sich nicht deklarieren.“

Keine Vertreibung aus dem Paradies

Auch in „Eden“ geht es um ein friedliches Miteinander. „Ich wollte, nachdem wir uns am Baum der Erkenntnis vergriffen haben, etwas anderes zeigen als Strafe, Schmerz und Leid“, sagt Hanan. Was passiert also, nachdem die Unschuld verloren ist? In ihrer Vorstellung werden die Menschen nicht vertrieben. Vielmehr sei das Paradies immer noch erreichbar, sagt sie: „Es gibt die Möglichkeit für Magie im Hier und Jetzt. Sie entsteht in zarten Momenten zwischen Menschen, wenn man jemanden liebt oder dessen Bedürfnisse versteht.“

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