Pizzicato

Das Wunder im Railjet

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ArchivbildAPA/Georg Hochmuth
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Plappernde Handypathen im Großraumwaggon können auch die Erste Klasse zur Folterkammer auf Schienen machen. Doch jüngst, bei einer Fahrt von Wien nach München, geschah Unerwartetes.

Kürzlich, an einem Samstagnachmittag, ging es im Railjet X 62 von Wien nach München. Ich fuhr 1. Klasse, die Vorteilspackerl-Jahreskarte der ÖBB macht den Preis erträglich, und die sollen ja auch etwas verdienen.

Schon in St. Pölten beschlich mich eine Ahnung, dass diesmal etwas anders war als sonst, ich wusste aber nicht, was. In Linz war die Ahnung immer noch rein unterschwellig da, auch bis Salzburg hatte sie es nicht geschafft, sich zu etwas Handfestem zu verdichten. Irgendwo zwischen Rosenheim und München, also gegen Ende der Fahrt, griff ich zum Handy, um den Kumpel anzurufen, der in München wartete, sicher schon mit Bier in der Hand. Ich sprach ganz leise ins Telefon und hielt mich sehr kurz, kein Gelächter, kein Geschwafel. Telefonieren im Zug ist ja so eine spezielle Sache.

Und da ging im blau-weißen Himmel über Bayern ein Riss auf, ein Licht strahlte heraus und mich an und ich hörte eine tiefe, tönende Stimme sagen: „Du bist der Erste in diesem Waggon, der seit Wien telefoniert hat!“

Tatsächlich! Von den Plagen in den rollenden Großraumwaggon-Telefonzellen der ÖBB, verursacht durch wildgewordene Handypathen mit verkümmertem Anstand und implodiertem Sozialgefühl, war im „Pizzicato“ schon die Rede, siehe die Geschichte unten (es gab darin auch einen praktikablen Lösungsvorschlag, der unter „Presse“-Lesern auf gewaltig positive Resonanz gestoßen ist). Wobei der Gipfel der Mithör-Schikane ja die aktivierte Freisprechfunktion ist. Grauenhaft! Wenigstens kommt das nur selten vor. Nichts gegen kurze Handy-Gespräche aus Notwendigkeit oder eine leise Plauderei, aber endlos lange, tönende Blabla-Ketten können dir die Zugfahrt ziemlich vermiesen, falls du nicht eingreifst.

Doch dann, an jenem Tag, war da diese heilsame Stille im an sich gut gefüllten Waggon von Wien bis München. Und ich offenbar der erste, verschämte Schurke. Es geschehen noch Zeichen und Wunder. (wg)

Reaktionen an: wolfgang.greber@diepresse.com

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