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Jamming und Spoofing: Wie Russland mit GPS-Störsendern den Flugverkehr lahmlegt

Richard Baker
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Mehr als 46.000 Flugzeuge hatten plötzlich andere GPS-Daten oder erhielten gar keine mehr; Tendenz steigend. Hinter den gezielten Angriffen mit Jamming und Spoofing soll Russland stecken. Ein Mittel dagegen gibt es nicht.

Estland beschuldigt Russland, gezielt GPS-Navigationsgeräte im Luftraum über den baltischen Staaten zu stören. Damit schließt sich der Staat den Bedenken von Fluggesellschaften an, die seit Monaten davon betroffen sind. 46.000 Flugzeuge haben einem Bericht des Guardian zufolge seit August 2023 GPS-Probleme, wenn sie die Ostsee überfliegen. Zuletzt entschied Finnair, die Flüge nach Tartu in Ostestland aufgrund dieser andauernden Störungen für einen Monat auszusetzen. Die Gefahr von Unfällen steigt, wenn Flugzeuge absichtlich in die Irre geführt werden.  

Die International Air Transport Association und die EU-Agentur für Flugsicherheit (Easa) trafen sich bereits im Januar, um das Problem der GPS-Störungen und des sogenannten Spoofing zu erörtern. 

Was sind Jamming und Spoofing? 

GPS steht für Global Positioning System. Dabei handelt es sich um ein Netz von Satelliten und Empfangsgeräten, das zur Positionsbestimmung, Navigation und Zeitmessung auf der Erde in allen Bereichen - von Schiffen über Flugzeuge bis hin zu Autos und Smartphones - eingesetzt wird.

GPS ist eines der wichtigsten Navigationsinstrumente in der Luftfahrt, das teure Bodengeräte ersetzt hat, mit denen Flugzeuge per Funk zur Landung gelenkt wurden. Die Grundlagen für modernes GPS, wie wir es heute kennen, wurde bereits in den 1960er-Jahren durch das US-Militär gelegt, ehe eine Mischung aus Navy-, Air-Force- und Armee-Entwicklungen 1973 durch die US-Regierung bewilligt wurde. 

Doch das System hat seine Schwachstellen. Vor allem ist es relativ einfach, die Signale zu stören, blockieren oder zu verzerren. Dafür braucht es auch keine hochentwickelte Technologie. 

Beim GPS-Störsender, dem sogenannten Jamming, wird ein Gerät zur Übertragung von Frequenzen verwendet, um den Funkverkehr zu blockieren oder zu stören, in der Regel durch Aussendung von Signalen vom Boden, die stärker sind als die satellitengestützten Signale. Denn diese Satelliten befinden sich in knapp 20.000 Kilometern Höhe. Bis diese den Boden erreichen, sind sie nur noch relativ schwach. Also nicht sonderlich schwer, hier das Signal zu stören. Vor allem auch deswegen, weil die Signale hinlänglich bekannt sind. 

Beim Spoofing sendet das Militär eines Landes möglicherweise falsche GPS-Signale an ein feindliches Flugzeug oder eine Drohne, um deren Funktionsfähigkeit zu beeinträchtigen, und gilt oft als störender und gefährlicher als eine Störung.

Das Problem für die kommerzielle Luftfahrt besteht darin, dass dieses falsche Signal von einem GPS-Empfänger in einem Passagierflugzeug aufgefangen wird, wodurch der Pilot und die Flugsicherung verwirrt werden könnten, da ohne Vorwarnung die falsche Zeit oder die falschen Koordinaten angezeigt werden.

Wo tritt das Problem vermehrt auf? 

Im Dezember wies das Luftfahrtberatungsgremium OPSGROUP auf einen Anstieg von Spoofing hin, das Privat- und Geschäftsflugzeuge im Nahen Osten, einschließlich Irak, Iran und Israel, sowie am Schwarzen Meer betrifft. Betroffen sind in der Regel Kriegsgebiete, da die Technologie eingesetzt wird, um Selbstmorddrohnen von ihrer eigentlichen Laufbahn abzulenken. 

Die baltischen Länder berichten seit Jahren über dieses Problem, insbesondere seit Beginn des Krieges in der Ukraine im Jahr 2022. In den letzten sechs Monaten haben sich die Störungen rund um die Ostsee verschlimmert, sagte der Finnair-Pilot und Vorsitzende des Safety and Security Committee der Finnish Pilots Association, Lauri Soini. Soini sagte, dass GPS-Störungen nun in einem Gebiet auftreten, das sich von Polen über die baltischen Staaten bis zur schwedischen und finnischen Küste erstreckt und auch niedrigere Höhen und den Seeverkehr beeinträchtigen.

Warum ist das ein Problem für den Flugverkehr? 

Die meisten modernen Flugzeuge verfügen neben GPS über eine Vielzahl von Sensoren und Quellen zur Bestimmung ihrer Position, so dass sie auch bei Störungen fliegen können.

Piloten und Branchenexperten zufolge verlassen sich die Fluggesellschaften jedoch nach wie vor hauptsächlich auf GPS. Wenn es zu Störungen oder Spoofing kommt, muss das GPS unter Umständen abgeschaltet werden und kann in vielen Fällen für den Rest des Fluges nicht mehr zurückgesetzt werden. Das kann zu Stress und Verzögerungen bei Start und Landung führen, da bestimmte Verfahren nur mit GPS funktionieren. Auch für einige Privatjets ist die GPS-Navigation die einzige Form der Navigation.

Der Sicherheitsmanager und Flugkapitän von AirBaltic, Janis Kristops, sagte jedoch, der Vorfall in Tartu mit Finnair sei selten. Die meisten größeren Flughäfen verfügen über eine Reihe von Navigationsinstrumenten, wenn GPS nicht funktioniert, sagte er. Und angesichts der unterschiedlichen Arten von Störsendern und Spoofing-Geräten ist es für die Luftfahrtbranche schwierig, eine umfassende technische Lösung zu finden, die das Risiko eindämmt.

Stattdessen versuchen die Behörden, die Piloten zu schulen, damit sie Störsender und Spoofing-Geräte früher erkennen können. (stein)

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