Geopolitik

Der „Georgische Traum“ wird für die EU zum Albtraum

Die Polizei setzte Tränengas ein
Die Polizei setzte Tränengas einAPA / AFP / Giorgi Arjevanidze
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Driftet die Kaukasusrepublik weg von der EU? Ein „russisches Gesetz“ der Regierungspartei „Georgischer Traum“ alarmiert und löst Massenproteste aus. Die Lage ist explosiv.

Tiflis/Jerewan. Gehört Georgien zu Europa? Also genauer in die EU? Diese Frage wird in diesen Tagen nicht nur im georgische Parlament verhandelt, sondern auch auf den Straßen von Tiflis. Zigtausende proeuropäische Demonstranten strömen in diesen Tagen in das Zentrum der georgischen Hauptstadt, um für die Westbindung des Landes zu demonstrieren, und gegen ein „russisches Gesetz“, wie sie es nennen, das das Parlament trotz allem in zweiter Lesung gebilligt hat (eine dritte folgt).

Das gewaltsame Vorgehen der Polizei gegen die Demonstranten löste einen Aufschrei aus. Auch in Brüssel. Denn diese Demonstrationen finden nicht im luftleeren Raum statt, sondern in Zeiten größter geopolitischer Spannungen, in denen EU und Russland um Einfluss ringen, am Westbalkan genauso wie in der Kaukasusregion. Auch deshalb hat Georgien im Dezember den EU-Beitrittskandidatenstatus erhalten. Aber das neue Gesetz, sobald final beschlossen, würde Georgien auf seinem EU-Pfad zurückwerfen. Das Land stehe am „Scheideweg“, warnte Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen.

Zivilgesellschaft als Ziel

Vordergründig geht es um ein Transparenzgesetz der Regierungspartei „Georgischer Traum“, das Medien und NGOS dazu zwingen würde, offenzulegen, wenn sie mehr als ein Fünftel ihrer Gelder aus dem Ausland erhalten. Sie würden hernach als „Organisationen“ punziert, die „Interessen einer ausländischen Macht vertreten“. Ein Gebot der Transparenz, argumentiert die Regierung. Ein Mittel zur „Verleumdung“ nach russischer Vorlage, warnen Kritiker. Sie fürchten zudem, dass das Gesetz erst der Anfang ist, und ein autoritärer Prozess in Gang gesetzt wird, an dessen Ende die Zivilgesellschaft vollends gegängelt würde – auch so ähnlich wie im Nachbarland Russland. Dabei unterstützt der „Georgische Traum“ die Westbindung und die angestrebte EU-Mitgliedschaft. So wie die große Mehrheit im Land. Aber zugleich „sabotiert“ die Regierungspartei „unseren Weg nach Europa und unsere Zukunft“, beschwert sich diese Woche auch Präsidentin Salome Surabischwili, die früher vom „Georgischen Traum“ unterstützt worden war.

GK

Im Vorjahr musste die Regierung ein ähnliches Gesetzesvorhaben wieder verräumen, nachdem es Massenproteste ausgelöst hatte und Drohungen aus Brüssel. Damals hatten sie noch keinen Kandidatenstatus. Aber nun kramt der „Georgische Traum“ die Pläne wieder hervor. Wieder demonstrieren die Massen. Ein neuerlicher Rückzieher wäre wohl mit einem Gesichtsverlust bewundern. Zugleich strömen immer mehr junge Demonstranten die Hauptstadt. Eine explosive Gemengelage.

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