Fragen und Antworten

Russlands Atomwaffenarsenal und seine Nukleardoktrin

Russische Interkontinental-Raketen (“Jars“) bei der Militärparade anlässlich des „Tags des Sieges“ am 9. Mai 2022.
Russische Interkontinental-Raketen (“Jars“) bei der Militärparade anlässlich des „Tags des Sieges“ am 9. Mai 2022.APA / AFP / Alexander Nemenov
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Russlands Präsident Putin sorgt mit der Ankündigung, den Einsatz von nicht-strategischen Atomwaffen zu üben, für Aufsehen. Welche Atomwaffen besitzt Russland? Wie könnte Russlands Atomwaffen einsetzen?

Der russische Präsident Wladimir Putin hat eine Militärübung angeordnet, in der auch die Bereitschaft der Nuklearstreitkräfte getestet werden soll. Hintergrund seien provokative Drohungen des Westens, teilte das Verteidigungsministerium am Montag mit. Nachfolgend einige Fragen und Antworten zu Russlands Atomwaffenarsenal und seiner Nukleardoktrin:

Welche Atomwaffen besitzt Russland?

Russland besitzt der Federation of American Scientists (FAS) zufolge mit 5580 nuklearen Sprengköpfen das größte Atomwaffenarsenal der Welt. Die Anti-Atomwaffenkampagne ICAN geht sogar von 6255 Sprengköpfen aus. Damit könnte Russland die gesamte Welt mehrmals zerstören. Nach der Auflösung der Sowjetunion im Jahr 1991 einigte Russland sich mit anderen Nachfolgestaaten darauf, das sowjetische Atomwaffenarsenal allein zu übernehmen. Die Ukraine, Belarus und Kasachstan gaben die bei ihnen stationierten Waffen bis 1996 ab. Im Kalten Krieg besaßen die Sowjetunion zeitweise bis zu 40.000 und die USA bis zu 30.000 Atomsprengköpfe.

Als verwendungsfähig lagert Russland nach FAS-Angaben rund 4380 Sprengköpfe für strategische Einsätze auf längeren Strecken beziehungsweise taktische Einsätze auf kürzere Entfernungen. Im Gegensatz zu strategischen sind taktische Atomwaffen aufgrund ihrer im Vergleich geringeren Zerstörungskraft und Reichweite für das Gefecht konzipiert. Wesentlich für die Einsatzbereitschaft sind Trägersysteme wie Raketen oder U-Boote. Einsatzbereit sind der FAS zufolge 1.710 Atomsprengköpfe für strategische Zwecke, davon rund 870 auf landgestützten ballistischen Raketen, 640 auf U-Boot-gestützten ballistischen Raketen und möglicherweise 200 für einen Einsatz mit Flugzeugen.

Wann und wie könnte Russlands Atomwaffen einsetzen?

Die letzte Entscheidung über einen Atomwaffeneinsatz trifft in Russland der Präsident, gegenwärtig also Wladimir Putin. Nach der zuletzt 2020 aktualisierten Nukleardoktrin ist dies in zwei Fällen möglich: als Reaktion auf einen Angriff auf Russland mit Atomwaffen oder anderen Massenvernichtungswaffen - oder als Reaktion auf einen Angriff mit konventionellen Waffen, wenn damit die Existenz des russischen Staates bedroht ist.

Der Atomkoffer befindet sich stets in Begleitung des Präsidenten. Der Koffer ist ein Kommunikationsgerät, das dem Präsidenten einen direkten Kontakt mit der militärischen Führungsspitze und den Raketentruppen ermöglicht. Damit kann Putin die Befehlskette bis zu den zuständigen Einheiten der Streitkräfte auslösen. Auch die Auslösung eines computergesteuerten Einsatzes ist möglich.

Es wird angenommen, dass auch Verteidigungsminister Sergei Schoigu und Generalstabschef Waleri Gerassimow einen Atomkoffer besitzen. Im Jahr 2019 zeigte der vom Verteidigungsministerium betriebene Fernsehsender Swesda Aufnahmen eines solchen Koffers. Darin befanden sich mehrere Drucktasten, darunter ein weißer „Start“-Knopf und ein roter „Abbruch“-Knopf.

Plant Russland Atomwaffentests?

Nuklearwaffentests gelten auch als Machtdemonstration. Putin hat erklärt, Russland behalte sich einen Atomwaffentest vor, falls die USA eine Atomwaffe testeten. Im vergangenen Jahr unterzeichnete Putin ein Gesetz, mit dem Russland sich aus dem Kernwaffenteststopp-Vertrag (Comprehensive Nuclear-Test-Ban Treaty, CTBT) zurückzog. Die USA haben diesen Vertrag zwar unterzeichnet, aber nicht ratifiziert. Unter Führung Moskaus gab es zuletzt in der Sowjetunion im Jahr 1990 einen Atomwaffentest. Nach deren Auflösung folgten entsprechende Tests durch die USA im Jahr 1992, China und Frankreich 1996, Indien und Pakistan 1998 sowie Nordkorea 2017. (APA/Reuters)

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