Eurovision

Buhrufe für Israel, Jubel für Österreich: Kaleen wirbelt sich ins Song-Contest-Finale

Kaleen und ihre Tänzer beim zweiten Halbfinale des Eurovision Song Contests.
Kaleen und ihre Tänzer beim zweiten Halbfinale des Eurovision Song Contests.APA / ORF / Roman Zach-kiesling
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Das zweite Halbfinale stand ganz im Zeichen von Eden Golan. Die Proteste gegen den israelischen Auftritt setzten sich in der Halle in Malmö nur durch Buhrufe fort. Für Österreich legte Kaleen einen akrobatischen Auftritt hin. Auch die beiden Co-Favoriten auf den Gesamtsieg leisteten sich keinen Patzer.

Die gute Nachricht vorweg: Kaleen darf auch beim Finale des Eurovision Song Contests ihren Song „We Will Rave“ noch einmal performen. Österreich hat sich im zweiten Halbfinale gemeinsam mit Co-Favoriten Nemo aus der Schweiz („The Code“) und Joost aus den Niederlanden („Europapa“) und sieben weiteren Nationen für die große Finalshow am Samstag qualifiziert. Darunter auch Israel. Der Protest gegen Israel blieb großteils vor der Halle, allerdings mischten sich einige Buhrufe in den Applaus nach Startnummer 14, Eden Golan, die für Israel „Hurricane“ sang. Beim Song Contest absolut unüblich, wo stets das Gemeinsame betont wird. Das Motto lautet immerhin „United By Music“ („Vereint durch Musik“). Dem Millionenpublikum im Europa fielen die Buhrufe aber nicht wirklich auf, denn die EBU, die veranstaltende European Broadcasting Union, spielte voraufgezeichneten Applaus ein.

Ein Palästinensertuch und ein „Peace“-Schriftzug

Um die politische Tangente des Eurovision Song Contests im ersten Halbfinale am Dienstag zu bemerken, hat man schon ganz genau hinsehen müssen. Eric Saade, schwedischer Sänger im Rahmenprogramm, trat mit Palästinensertuch ums Handgelenk auf. Ob das „Peace“ auf der linken Schulter des belgischen Sängers Mustii am Donnerstag ein Statement in diese Richtung war? Die EBU ging auf Nummer sicher und die Kameraführung wurde jedenfalls ungewohnt nah.

Während der ukrainische Sieg (Kalush Orchestra) vor zwei Jahren zwar bei jenen eine hochgezogene Augenbraue auslöste, die den Fokus beim größten Gesangswettbewerb der Welt gerne ausschließlich auf Lied/Singende/Performance legen, war sich Europa damals aber großteils einig: Man hielt prinzipiell zur Ukraine. Das ist betreffend Israel nach den Geschehnissen im Gazastreifen 2024 nicht so. Protest bricht sich Bahn, gar ein Ausschluss von Israel wurde gefordert. (Russland wurde nach dem Angriff auf die Ukraine im Jahr 2022 aus der EBU ausgeschlossen.)

Greta Thunberg war in Malmo beim Protestmarsch gegen Israel.
Greta Thunberg war in Malmo beim Protestmarsch gegen Israel.Imago / Johan Nilsson/tt

Anti-isrealische Parolen in Malmö

Vor dem zweiten Halbfinale versammelten sich in der Innenstadt von Malmö Tausende Menschen zu einem antiisraelischen Marsch - inklusive Parolen wie „From the River to the Sea - Palestine will be free“. Mit dabei: „Fridays for Future“-Mitbegründerin Greta Thunberg. Bis zur Startnummer 14 verlief das Halbfinale auch ruhig. Dann war Eden Golan mit dem Lied „Hurricane“ an der Reihe. Zweimal hat das israelische ESC-Team den Beitrag geändert, bis er der EBU, der veranstaltenden European Broadcasting Union, „unpolitisch“ genug war.

Die Aufmerksamkeit, die Anfeindungen gingen an der 20-jährigen Sängerin Eden Golan nicht spurlos vorüber. Sie sang mit Bravour. Die Umstände verliehen ihrem Auftritt eine Ernsthaftigkeit - trotz des nun sehr allgemein gehaltenen Texts, der sich als passend zum Moment erwies: „Every day, I‘m losin‘ my mind. Holdin‘ on in this mysterious ride. Dancin‘ in the storm, I got nothin‘ to hide“, sang Golan mit sicherer Stimme ihre Ballade. Ein Finalplatz war der Lohn - wohl nicht unbedingt zur Freude der Veranstalter, die das Sicherheitsaufgebot nun weiter verschärfen müssen.

Eden Golan singt für Isreal „Hurricane“ und bleibt textlich dabei - nach mehreren Textänderungen - relativ allgemein.
Eden Golan singt für Isreal „Hurricane“ und bleibt textlich dabei - nach mehreren Textänderungen - relativ allgemein.Imago / Sanjin Strukic/pixsell

Harter Kampf um Semifinalticket

Überhaupt war das zweite Halbfinale hochkarätig. Über Geschmack lässt sich streiten, aber so richtig fad/nichtssagend/schlecht war kein Beitrag. Belgien (Mustii mit „Before the Party’s Over“) lieferte nicht wie erwartet ab (schlechte Intonation) und schied aus. Auch andere als Finalkandidaten gehandelte Länder wie Tschechien (Rockig-eingängig: Aiko mit „Pedestal“) müssen am Samstag zusehen. Lettland lieferte zwar eher einen blassen Beitrag, aber es reichte dennoch überraschend für einen Finalplatz. Der Song Contest ist nicht immer berechenbar.

Umso größer ist der Erfolg für Österreich und Kaleen einzuschätzen. Nach manchen Fan-Events im Vorfeld, bei dem sie aufgetreten ist, gab es etliche Kritiker, die ihre stimmliche Performance bemängelten. Da hat Kaleen (mit bürgerlichem Namen Marie-Sophie Kreissl) noch ordentlich gearbeitet. Andererseits sind auch Tontechnik und Monitoring (den Sound, den die Sängerin in den Kopfhörern hört) beim ESC selbst auf einem anderen Level, was das Singen leichter machen sollte. Vor allem die tiefen Strophen (der Beginn gleich einmal!) sind erst recht bei schnellerem Atem oder Nervosität nicht leicht zu meistern und geraten gerne zu hoch. Wenn man zwischendurch (etwa vor der zweiten Strophe bei „We will rave“) eine Wahnsinnschoreografie zu absolvieren hat, umso mehr - die Herzfrequenz steigt. Diesmal schien Kaleen von Beginn an sicherer. Auch die paar höheren Power-Töne gegen Ende, wenn sie über den voraufgezeichneten Song ein paar Phrasen scheinbar improvisiert, gelangen solide. So wurde es eine kraftvolle, von Tanz geprägte Performance, die in der Halle in Malmö hörbar gut angekommen ist - und offenbar auch bei den Zusehenden in halb Europa. Denn bei den Halbfinali waren es nur die Stimmen der Anrufenden, die über die Platzierung entscheiden. Beim Finale am Samstag darf auch die Länderjury ein Wörtchen mitreden - die normalerweise die Partyfraktion unter den Song-Contest-Liedern eher unterbewertet. Aber das große Ziel der österreichischen Delegation wurde jedenfalls erreicht: der Finaleinzug.

Die Teilnehmer des zweiten Song-Contest-Halbfinales

Für das Finale am Samstag qualifiziert:

Griechenland: Marina Satti mit „What They Say“

Schweiz: Nemo mit „The Code“

Österreich: Kaleen mit „We Will Rave“

Armenien: Ladanive mit „Jako“

Lettland: Dons mit „Hollow“

Georgien Nuza mit „Busaladse“

Estland: 5miinust & Puuluup mit „(Nendest) narkootikumidest ei tea me (küll) midagi“

Israel: Eden Golan mit „Hurricane“

Niederlande: Joost Klein mit „Europapa“

Norwegen: Gate mit „Ulveham“

Ausgeschieden:

Malta: Sarah Bonnici mit „Loop“

Albanien: Besa mit „Titan“

Tschechien: Aiko mit „Pedestal“

Dänemark: Saba mit „Sand“

San Marino: Megara mit „11:11“

Belgien: Mustii mit „Before the Party’s Over“

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