Literatur

Die Horváth-Gesamtausgabe zeigt, wie der Autor das Heraufdämmern des Faschismus beschreibt

Ödön von Horvàth vor seiner Emigration 1938.
Ödön von Horvàth vor seiner Emigration 1938.Literaturarchiv der Österreichischen Nationalbibliothek
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Ödön von Horváth gilt als einer der Soziologen unter den Literaten des 20. Jahrhunderts. Wie er Faschismus und Hass voraussah, lässt sich eindrucksvoll an der historisch-kritischen Werkausgabe studieren.

Tinder wäre pleite, würde es diese künstliche Intelligenz geben: eine Maschine, die einander Unbekannte verkuppelt. Dass solch eine Maschine sich Ödön von Horváth bereits im Jahr 1932 ausdachte und sie in eine herrliche Groteske („Magazin des Glücks“, 1932) über Magie, Gier und Herzschmerz einzubinden wusste, zeigt, über welch wachen, visionären Geist dieser Autor verfügte.

Unter Beweis gestellt hat er ihn vor allem im Gespür für den seiner Zeit in Europa aufkommenden Faschismus. Und zwar in sämtlichen Genres. Sei es in seiner Kurzprosa, in der sich angetrunkene Männer am Stammtisch frank und frei als „Hakenkreizler“ bezeichnen, oder sei es sein mittlerweile kanonischer Roman „Jugend ohne Gott“ (1937) über die nationalsozialistische Gehirnwäsche Heranwachsender – statt laute, moralische Anklagen zu verfassen, hat sich der 1901 geborene, deutsch-ungarische Autor von Anfang an auf literarische Soziografien spezialisiert. Sie geben den Nährboden für Antisemitismus, Rassismus und Sexismus preis, zeichnen auf das Genaueste die langsame Infiltration des Denkens durch völkische Weltbilder nach.

Wir befinden uns am Ende der 1920er-Jahre im Zeitraum der Wirtschaftskrise

Ein Œuvre, das aktueller und überdies organischer nicht sein könnte! Dies belegt jedenfalls die vorzügliche und just vollendete historisch-kritische Gesamtausgabe seiner Werke. Darin erfährt man mitunter, dass das Volksstück „Kasimir und Karoline“ (1932) bereits Vorarbeiten zu seinem kurz darauffolgenden Drama „Glaube Liebe Hoffnung“ (1933) enthält. Was beide entstehungsgeschichtlich verwandten Texte zudem inhaltlich eint, ist letzthin das ökonomische Milieu. Wir befinden uns am Ende der 1920er-Jahre im Zeitraum der Wirtschaftskrise.

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