Kritik Theater: Froschkönigs letzter Flug

Uraufführung von Klaus Pohls "Kanari" in den Wiener Kammerspielen. Otto Schenk entzückt.

D
as Schönste ist doch ein Vogel im Winter, der plötzlich singt, wenn es schneit", sagt sie. Und er er zählt von einem Ziegenbock, der mit seinen Hörnern die Sterne vom Himmel reißt. Hübsch lyrisch geht es zu in "Kanari" vom deutschen Schauspieler und Autor Klaus Pohl, Samstagabend in den Wiener Kammerspielen uraufgeführt.

Der Titel bezeichnet einen gelben Diamanten, im Diamanten-Viertel von New York spielt das Stück: Ein aus Wien vertriebener Diamanten-Schleifer und seine Familie werden durcheinander gewirbelt von einer Praktikantin aus Graz, die auf dem Big Apple Fuß fassen will - was ihr zunächst vor allem in den Herzen der Herren gelingt.

"Das alte Land" und "Vinny" von Klaus Pohl wurden an der Burg uraufgeführt, er selbst spielt u. a. in Luc Bondys "Anatol"-Inszenierung den Max. "Kanari" ist charmanter Boulevard, etwas redundant. Von New York ist viel die Rede, man fühlt sich mehr wie in Wien, genauer wie in den Kammerspielen, da, wo sie am beliebtesten sind und die Schauspieler machen lassen. In diesem Fall Otto Schenk, der am Text mitgearbeitet hat, die Hauptrolle spielt - und die anderen an die Wand. Der wievielte Frühling es wohl ist, dem sich der Diamanten-Experte Siggi Grünebaum, gestaltet nach einem realen Vorbild, hingibt? Tut nichts zur Sache. Ganz sicher ist er sich sowieso nicht, ob er es noch einmal wagen soll, mit dem "Luder", einem Roh-Diamanten, den er zu spalten sich vorgenommen hat - und mit dem "Mädele" aus Graz. Sie verdreht ihm den Kopf und - krach - ist er hin, der schöne Stein.

Krach machen auch die eisernen Bande um das Herz des alten Herren, so betagt kann ein Mann gar nicht sein, dass nicht aus dem Frosch ein Prinz wird, wenn man ihn an die Wand wirft. Siggi geht beinahe drauf dabei. Schließlich hat er noch andere Sorgen als das Mädele: seine über-ehrgeizige Tochter, die Steuern, den gojischen Schwiegersohn, die Syndikate, den obstinaten Partner. Zum Glück haben alle das Herz am rechten Fleck und dort pendelt sich auch Siggis lädierte Pumpe wieder ein - nach einigen bedrohlichen Ausschlägen.

Otto Schenk hat es längst nicht mehr notwendig, das Publikum an sich zu reißen, er fuchtelt, forciert nicht mehr, seine Präsenz ist ungebrochen, seine Aura gewachsen. Man könnte sich diesen Siggi präziser, forscher, technisch perfekter vorstellen, aber niemals Herz erwärmender, grantiger, liebevoller als Otto Schenk ihn spielt.

Martin Zauners Sicherheit schien bei der Premiere durch einen gebrochenen Mittelfuß-Knochen etwas angeknackst: "der Moser", Siggis Schwiegersohn, knietief in der Grazer Erde, verbarrikadiert in seiner Werkstatt, verunsichert vom New Yorker "Milieu" und von seiner hantigen Angetrauten, will sich in die Wüste oder in den Schnee flüchten, Liebe statt Fremdheit, Irritation.

Aber das Fräulein Elfie Schneider zieht den lebensklugen Über-Papa dem unbeholfenen Ersatz-Bruder vor. Für die Frauen hat Regisseurin Isabella Gregor eine weniger gute Hand als für die Männer. Eva Maria Neubauer (Elfie) rettet sich mit Aplomb und Hyperaktivität, Alexandra Sommerfeld als Siggis Tochter und Mosers Ehefrau Violetta, ist zu eckig, schlecht gelaunt geraten. Gideon Singer gefällt als Siggis Partner Benij.

Trotz des gemächlichen Pointen-Flusses ist die Aufführung nicht langweilig. Das ist dem die Bühne beherrschenden Schenk zu verdanken, aber auch seinen Stichwort-Gebern und dem klugen Timing der Regisseurin - die sich insgesamt doch empfiehlt für eine einfühlsame Konservierung des vielfach geschätzten Kammerspiel-Stils.

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