"Rocco": Brave Gastarbeiter-Ballade

Morteza Tavakoli trägt als "Rocco" den sonst eher entbehrlichen neuen Film von Houchang Allahyari.

Luchino Viscontis Rocco und seine Brüder (1960) schildert die Probleme einer Bauernfamilie aus dem Süden, in Mailand Fuß zu fassen. Zwischen Neorealismus und Ästhetizismus erzählt die brillante Sozialstudie von "Gefühl, Gesetz und dem Tabu der Ehre" als den konstituierenden Ingredienzien des südländischen Charakters, so Visconti (1906-1976).

Ob beabsichtigt oder nicht, Houchang Allahyaris neuer Film projiziert Visconti in die heutige Zeit. Holprig. Der neue Rocco sucht Freiheit und gerät in einen Strudel von Drogen, (Klein-)Kriminalität, sexuellen Verwirrungen. Ivan Siljic hat das mit hektischer Kamera (Amateur-Video-Stil) protokolliert. Formal scheint alles halbwegs in Ordnung zu sein: Der Streifzug durch Wien, vom Basketball-Platz im Beserlpark über den Naschmarkt bis zu den Stadtbahn-Bögen; die Besetzung: besonders Morteza Tavakoli, der Roccos Entfernung von der Familie, die parallel läuft mit seinem Abgleiten auf die schiefe Bahn, glaubwürdig vollzieht. Angezogen von der attraktiven Leila Anna Franziska Srnas. Als "special guests" setzen Michael Niavarani, Claudia Androsch, vor allem aber Dolores Schmidinger ihre Lichter.

Allein wegen der paar Minuten, in denen die Schmidinger als überwuzelte, aber immer noch sehr fesche Drogen-Tandlerin - eine moderne Variante der Trafikantin Valerie aus Horv¡ths "Geschichten aus dem Wiener Wald" - ihre Buben dirigiert und die Segnungen der chemischen Hirnvernebelung preist, könnte man diesen Film ansehen.

Könnte. Denn die meiste Zeit läuft ab, was schon x-mal erzählt und illustriert wurde, fast genau so wie es hier erzählt und illustriert wird. Kein Vergleich mit den subtilen Kompositionen einer Autorin wie Biljana Srbljanovic. Allahyari erzählt die vorhersehbare Gastarbeiter-Ballade für TV-Quotentiger - von vor zehn, zwanzig oder dreißig Jahren. Vielleicht liegt ihm die echte Komödie einfach mehr.

Was sich auch daran erkennen lässt, dass die Ausflüge in Originalität und Surrealität aufgesetzt und angestrengt wirken. Neben witzigen Passagen wie jener mit Schmidinger stehen konstruiert anmutende Einfälle wie eine Sexszene in einem Künstleratelier oder die Unterbringung Leilas (Srna) in einem Nonnenkloster; dort fliegt sie prompt hinaus, als sie sich mit Rocco vergnügt.

Plausibler bewegt sich die Story im Fremdarbeiter-Milieu (wo sie ein wenig an Barbara Alberts Nordrand erinnert). Anita Siljic (Roccos Mutter), Mehsud Dedovic (Roccos Vater) und Marjam Allahyari (Roccos Schwester) machen die sich vertiefenden Brüche zwischen Alten und Jungen, Tradition und Emanzipation deutlich.

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