Fritz Muliar: "Da krieg ich a Wut und geh weg!"

Einen Zorn kriegt Fritz Muliar noch immer leicht - zuletzt über den ORF. Aber im Theater in der Josefstadt unter Hans Gratzer wird er vielleicht doch spielen.

Es gibt Persönlichkeiten, mit denen spricht Fritz Muliar lieber nicht: "Da krieg ich a Wut und geh weg!", sagt er - und er weiß, wovon er spricht. Schließlich hat er einmal in grauer Vorzeit einem Regisseur die Nase gebrochen - und ist daraufhin aus dem Volkstheater geflogen.

Blaue Wunder hat Muliar selbst jüngst in seiner Eigenschaft als Stiftungs-und Publikumsrat im ORF erlebt: "Der Herr Fiedler (bürgerlicher ORF-Betriebsratsobmann) hat mich angerufen, wir haben uns getroffen und er hat mir gesagt, ich soll den Gerhard Weis wählen. Ich habe ja gesagt, weil ich ihn ohnehin wählen wollte. Bei der Abstimmung hat Fiedler dann für Monika Lindner gestimmt und ich für Weis. Ich hab' dann den Fiedler getroffen und hab' zu ihm gesagt: Sie haben mich belogen! Ganz laut, es waren genug Leute dabei. Und dann ist die Lindner gekommen und ich habe gesagt zum Fiedler, so daß sie es hören konnte: Sie haben mich gehindert die Lindner zu wählen! So ist das im ORF."

Welches Programm wird Muliar für die Senioren, die er im ORF vertritt, propagieren? "Schöner leben ist mir zu wenig. Es gab früher mehr Sendungen für Senioren, Liebe Familie, Seniorenclub, Heinz Conrads. Wir wollen ein Programm, das für uns gemacht wird. Und zwar in der Prime Time. Am©lie zum Beispiel, ein entzückender Film, das will ich im Hauptabendprogramm.Es wird mir zu wenig mit Herz gemacht und zu wenig für Leute, die allein leben. Das Fernseh-Theater gehört wieder bespielt, früher wurden alle drei Monate Fernsehspiele produziert. Ich möchte, daß dort wenigstens zwei Stücke im Jahr gemacht werden. Der ORF hat eine eigene Technik, die hat nichts zu tun, die muß man beschäftigen. Außerdem will ich Übertragungen aus den Landestheatern. Es gibt keine Provinz mehr."

Gegen "Quotendepperln"

Freilich, das Interesse am Theater geht eher zurück. "Das stimmt nicht. Man muß nur für einen ordentlichen Bildregisseur sorgen. Opern, ja das ist ein ganz kleiner Kreis. Doch Vorstellungen aus Burg und Josefstadt, das wollen die Leute sehen. Nicht die Masse, aber immerhin: Olympia in der Josefstadt war 73 Mal ausverkauft. Es muß ja kein Botho Strauß sein. Lieber Maria Stuart aus dem Burgtheater. Wenn man das nicht macht, wird man ein Quotendepperl. Wenn es kein Interesse für Kultur gäbe, gäbe es ja auch Ö1 nicht, aber Ö1 floriert!"

Muliar hat angekündigt, das Theater in der Josefstadt 2003, wenn Hans Gratzer die Direktion übernimmt, zu verlassen: "Ich habe den Hackl forciert für die Josefstadt, den man dann in grausiger Weise abserviert hat. Ich will, daß in einem österreichischen Theater österreichisches Theater gespielt wird, und das können die Leute am besten, die lang am Platz sind. Aber ich bin nicht dafür, daß man dem Gratzer jetzt alles abspricht. Das muß man ausprobieren." Also ein Meinungsumschwung? Muliar lacht: "Der Slezak hat ein Buch geschrieben, sein unwiderruflich letztes und dann hat er ein Buch geschrieben, das hieß Der Wortbruch."

"Naja, ich bin ja dann 83. Ich möchte natürlich im Wiener Theaterbetrieb bleiben, solange ich stehen, kriechen und atmen kann. Ein Stück in der Saison spielen, eines inszenieren, das geht, sonst zahlt es sich finanziell nicht aus." Als nächstes spielt Muliar in der Josefstadt "Seid nett zu Mr. Sloane", eine subversive Groteske vom Briten Joe Orton aus den sechziger Jahren: "Ich spiele den alten Vater, der alles weiß und erschlagen wird. Hinter der Bühne!" Günter Krämer inszeniert. Die Premiere ist Mitte April.

In den Wiener Kammerspielen inszeniert Muliar "Das Geld liegt auf der Bank" mit Ossy Kolmann über einen Ex-Gauner, der auf seine alten Tage noch einmal eine Bank überfallen will und damit seinen Sohn, einen Banker, in Verlegenheit bringt. "Ich hab' was gegen die Brüllorgien, daß man dem Publikum unentwegt nur entgegenkommt und sagt, da hauen sie si wieder ab wie die Neger."

Außerdem beginnt Muliar mit den Proben für eine "Schwejk"-Version im kärntnerischen Porcia, die er aber nur inszeniert: "Da wird man sehen, wie sie mich dort aufnehmen. Der Herr Landeshauptmann ist ja sehr präsent im Land und ich möchte vermeiden, mich mit ihm photographieren zu lassen. Dabei wäre es interessant, einmal mit ihm zu reden. Aber ich bin nervlich nicht imstande mit so jemandem zu sprechen. Das ist wie mit dem Peymann."

Zum Abschluß der Ära Lohner wird Muliar in den Kammerspielen einen Nestroy-Einakter (vermutlich "Frühere Verhältnisse") machen, mit Elfriede Ott und sich selbst. Ferner plant er eine Senioren-Version von Schnitzlers "Abschiedssouper" aus dem "Anatol": Anatol, Max und Anni treffen sich im höheren Alter noch einmal im Sacher-S©par©e und erinnern sich: "Das soll die Ergänzung zum Burgtheater-Anatol werden."

Eine Muliar-Biographie (Autor: Volkmar Parschalk) ist in Vorbereitung, Muliar selbst will ein Buch mit seinen Zeitungs-Kolumnen herausgeben.

Der gewaltigste Erfolg seiner Laufbahn ist und bleibt aber doch der "Schwejk" - woher kommt das ständige Blitzen, die Kontroversen zwischen Tschechen und Österreichern? "Das liegt an der schlechten Behandlung der Tschechen durch die Österreicher in der Monarchie. Völker erinnern sich lang. Österreich und Deutschland haben innerhalb einer Generation zwei Weltkriege vom Zaun gebrochen und beide mit Bomben und Granaten verloren. Diese Ressentiments liegen tief im Blut. Ich persönlich finde die Benes-Dekrete bös, ich habe Verständnis für Leute, die fordern, daß man das endlich außer Kraft setzt." Wie zum Beispiel Jörg Haider? "Das ist schon ein bißchen anders. Ich war immer ein Anhänger des Europas der Vaterländer. Mit Herumschreien und Veto-Drohungen ist da nichts zu machen."

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