Shell: Neuer Anlauf für Tankstellen-Schließung

"Presse"-Gespräch. Der neue Chef von Shell Austria plädiert für Erleichterungen bei der Bereinigung des Tankstellennetzes.

WIEN. Oswald Brockerhoff, seit Oktober neuer Chef von Shell Austria, ist der Umzug aus dem hohen Norden Deutschlands nach Wien nicht allzu schwer gefallen. Daran können auch die seiner Ansicht nach hohen Wohnungspreise nicht viel ändern. "Ich bin gerne hier, Wien ist eine wunderschöne Stadt", so Brockerhoff. Ob dem Shell-Schwergewicht aus Hamburg auch der österreichische Markt genug Herausforderungen bieten kann, bleibt abzuwarten. Schließlich hatte Brockerhoff zuvor den zehnmal so großen deutschen Markt unter seinen Fittichen.

Brockerhoff macht auch kein Hehl daraus, das um die DEA-Kette erweiterte Treibstoffgeschäft von Shell in Deutschland nicht ungerne geführt zu haben. In der Zentrale des holländisch-britischen Ölriesen wurde aber anders entschieden, ein neuer Mann aus Holland für die Position auserkoren. "Das ist auch verständlich. Schließlich hätten der Kollege von der DEA und ich immer gewußt, was wir besser als der jeweils andere gemacht haben", so Brockerhoff.

Wie tief die Gelassenheit des Shell-Managers geht, weiß freilich nur er selbst. So tragen die Visitenkarten des am 10. August 1950 geborenen Hamburgers seit jeher ausschließlich das Shell-Emblem. Nach dem Jus-Studium hat Brockerhoff 1978 bei Shell Deutschland in der Finanzabteilung angeheuert, 1986 wechselte er ins Marketing. Dort hat er mit der Umsetzung des "Shop-Konzepts" im Shell-Konzern tiefe Spuren hinterlassen. Heute erwirtschaftet eine "vernünftige" deutsche Shell-Tankstelle knapp die Hälfte ihres Ertrages mit dem Verkauf von Waren.

"Vernünftig" sei eine Tankstelle dann, wenn sie zumindest 1000 Kunden am Tag anzieht. An guten Standorten würden schon durchschnittlich 15 bis 20 DM Umsatz je Kunden über den Verkauf von Waren zu erzielen sein. Eine Zahl, die in Österreich nicht so leicht zu erreichen ist. Allein schon durch den restriktiven Verkauf von Tabakwaren, die nicht zu Trafikpreisen abgegeben werden dürfen. Anders als in Österreich, spült der Tabak-Verkauf in liberalisierten Märkten 40 bis 50 Prozent des Umsatzes in die Kassen eines Shell-Shops. Dadurch würde vielen Pächter das wirtschaftliche Überleben erleichtert.

Denn nicht nur hierzulande, auch in Deutschland sind angesichts des engmaschigen Netzes Tausende Anlagen gefährdet. "In Deutschland werden von den 16.000 Tankstellen noch 4000 verschwinden", so Brockerhoff. Damit sei auch der Trend für den zehnmal kleineren Österreich absehbar. Brockerhoff schätzt, daß bis zu 30 Prozent der vorhandenen 3000 Tankstellen geschlossen werden müssen. Das Problem bestehe darin, den Ausstieg fair für alle Beteiligten abzuwickeln. In Holland wurde dies über ein legalisiertes Schließungskartell geschafft, in Deutschland wird darüber gerade diskutiert. Das heißt, die Konzerne müßten Vereinbarungen darüber treffen können, wer wieviele Tankstellen schließt. Derzeit ist eine derartige Vorgangsweise kartellrechtlich untersagt.

Zudem wird den Pächtern der Ausstieg über Zuwendungen aus einem dafür eingerichteten Fonds erleichtert. Gespeist über den Treibstoffverkauf. Auch in Österreich wäre ein legales Schließungskartell zu begrüßen, meint Brockerhoff. Mit restriktiven Verkaufsbestimmungen für Waren werde sich der Überlebenskampf der Tankstellen jedenfalls weiter verschärfen, ist der Shell-Manager überzeugt.

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.