Der Falter als Lindwurm

Irgendwie heiter, wenn sich Armin Thurnher („Falter“) und Jörg Haider („Kärnten“) auf demselben Niveau intellektueller Redlichkeit wiederfinden...

Wenn der Kärntner Landeshauptmann großsprecherisch erklärt, „Kärnten wird reich“, weil das Bundesland die bisher mehrheitlich ihm gehörende Bank nun verkauft, so ist das blanker Unsinn. Denn wer eine Bank, die den Betrag X wert ist, für den Betrag X verkauft, der ist dadurch natürlich weder reicher noch ärmer geworden; sein Besitz hat sozusagen lediglich den Aggregatzustand gewechselt. Ob man Aktien im Wert von X oder Bares in Höhe von X besitzt, ändert ja nichts am Wert des Eigentums, über das man verfügt. Kärnten ist daher durch diesen „Aktiventausch“ nicht reicher, sondern allenfalls liquider geworden; und Haiders Behauptung daher ein kompletter Holler, was uns nicht weiter überrascht.

Bedauerlicherweise hat Haider jedoch kein Monopol auf derartigen ökonomischen Unfug – der wird leider immer wieder ungeniert auch von jenen verbreitet, die Haider für den seinen – mit Recht – regelmäßig kritisieren. Da beklagt etwa Armin Thurnher, Chefredakteur der meist vergnüglichen & intelligenten linksalternativen Stadtzeitung „Falter“ im Kontext der Privatisierungsdebatte (zunächst durchaus zutreffend), dass es keine genaue Aufstellung staatlicher Vermögenswerte „wie Straßen, Schulen, Krankenhäuser“ gäbe und schließt daraus: „... also juckt es uns auch nicht, wenn man es uns raubt (privatisiert).“

Indem er „Privatisierung“ mit „Raub“ gleichsetzt, also dem gewaltsamen Entzug von Vermögenswerten ohne Barablöse, argumentiert Falter-Chef Thurnher exakt so seriös wie Jörg Haider. Denn genauso wenig, wie man vom Tausch „Bank gegen Bargeld“ reicher oder ärmer wird, genauso wenig wird man von anderen Privatisierungen reicher oder ärmer. Ob der Staat eine – Thurnhers Beispiel – Autobahn besitzt oder aber nach korrekter Privatisierung jenen Betrag, den diese Autobahn wert ist, ändert nichts am Vermögensstatus. Oder, ganz langsam, zum Mitschreiben: Auch wenn Thurnher dereinst sein schmuckes Ferienhäuschen verkaufen sollte, wir er dadurch nicht reicher oder ärmer; der hypothetische Vorwurf, er hätte sich diesfalls berauben lassen, wäre genauso absurd wie jener, den er nun selbst erhebt, wenn er Privatisierung mit Raub gleichsetzt.

Könnte man sich mit Haider oder Thurnher auf dieses an sich eher schlichte Faktum verständigen, ließe sich ja eine ebenso spannende wie notwendige Debatte führen: über die Frage, wo Privatisierungen zweckvoll sind und wo nicht; über die Höhe des angemessenen Preises und wie er festgelegt wird; oder über die wirtschaftlich sinnvollste Weise, mit dem vom Staat erzielten Erlös zu verfahren.

Jeder redliche Anhänger der Privatisierung wird – wie der Autor dieser Kolumne – deren Gegnern – wie Thurnher – konzedieren, dass es auch für ihren Standpunkt beachtliche Argumente gibt; dass viele, aber nicht alle Privatisierungen gelungen sind; dass manchmal geschickt verkauft wurde, manchmal nicht.

Armin Thurnhers törichte Gleichsetzung von Privatisierung mit Raub gehört freilich genauso wenig in diesen Gedankenbogen einer redlichen Debatte wie Haiders „Kärnten-wird-reich“-Dreistigkeit: Dieser Falter schaut leider wie ein Lindwurm drein.

Christian Ortner ist Journalist in Wien.


christian-ortner@chello.at("Die Presse", Print-Ausgabe, 01.06.2007)

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