„Neuer Libanon-Krieg wäre schwierig“

(c) AP (Petros Karadjias)
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Interview. General Pellegrini, Ex-Kommandeur der UN-Truppe im Libanon, über israelische Luftraumverletzungen, das Arsenal der Hisbollah und den Tod des österreichischen Soldaten in Khiyam.

Die Presse: Vor einem Jahr hatte der Krieg zwischen Israel und der libanesischen Hisbollah begonnen. Beobachter sprechen davon, dass eine neue Runde in diesem Kampf bevorstehen könnte. Was denken Sie als ehemaliger Kommandeur der UN-Truppen im Libanon?

Alain Pellegrini: Im Nahen Osten ist immer alles möglich – auch eine neue israelische Militäroperation gegen die Hisbollah. Aber für die Israelis wäre eine solche Operation heute viel schwieriger als vor einem Jahr. Denn heute hat die UN-Truppe Unifil im Südlibanon rund 15.000 Mann, die nötige Bewaffnung und ein viel robusteres Mandat als damals.

Wenn Israels Armee die Hisbollah in einer Bodenoffensive angreifen wollte, müsste sie zuerst an den Stellungen der Unifil vorbei. Und die UN-Truppe wäre in der Lage, dem zumindest in der Anfangsphase etwas entgegenzusetzen.

Und was ist mit der Hisbollah? Denken Sie, dass die Schiiten-Miliz erneut Israel angreifen könnte?

Pellegrini: Bodenoperationen wie im vergangenen Jahr, als die Hisbollah israelische Soldaten kidnappte, wären heute sehr schwierig. Denn die Grenzregion wird jetzt von der verstärkten UN-Truppe und der libanesischen Armee überwacht. Aber die Hisbollah könnte natürlich erneut Raketen nach Israel schießen: Nicht direkt von der Grenze, das würde Unifil verhindern. Aber vom Gebiet außerhalb der UN-Zone wäre das theoretisch möglich.

Wie umfangreich ist das Waffenarsenal der Hisbollah noch?

Pellegrini: Soweit ich das beurteilen kann, hat Hisbollah in der Unifil-Zone, also zwischen dem Litani-Fluss und der „blauen Linie“ (siehe Grafik), keine schweren Waffen mehr stationiert. Persönliche Waffen wie Kalaschnikows haben die Hisbollah-Kämpfer sicher noch, so wie die meisten Bewohner der Gegend. Raketen stehen hier aber keine mehr. Die sind möglicherweise nördlich des Litani versteckt, das wissen wir nicht.

Die Entwaffnung der Hisbollah außerhalb der Unifil-Operationszone ist nicht Teil des Mandats der UN-Truppe. Der UN-Generalsekretär hat wiederholt erklärt, dass die Entwaffnung der Hisbollah eine nationale Angelegenheit des Libanon ist.

Die israelische Luftwaffe führt nach wie vor Flüge über dem Libanon durch – um Erkenntnisse über die Bewaffnung der Hisbollah zu erlangen, wie es in Jerusalem heißt.

Pellegrini: Gemäß UN-Resolution darf keine der Streitparteien die „blaue Linie“ überqueren. Den Israelis ist es somit verboten, in den libanesischen Luftraum einzudringen. Jeder israelische Flug über dem Libanon ist eine Verletzung des libanesischen Luftraums sowie der UN-Resolutionen und somit völlig inakzeptabel.

Die Israelis sagen, sie werden diese Flüge durchführen, so lange sie davon überzeugt sind, dass aus Syrien Waffen in den Libanon geschmuggelt werden. Einige dieser Flüge mögen tatsächlich Aufklärungsflüge sein, andere waren aber klare Provokationen.

Noch während Sie Unifil-Kommandant waren, gab es einen Zwischenfall, bei dem französische Truppen beinahe auf ein israelisches Flugzeug gefeuert hätten.

Pellegrini: Soweit ich mich erinnere, war das im Oktober 2006, bald nach der Ankunft des französischen Bataillons. Paris hatte offiziell angekündigt, das französische Kontingent mit Luftabwehrwaffen auszurüsten. Ich denke, die Israelis betrachteten dieses Statement als Provokation. Daher wollten sie wohl testen, wie weit die Franzosen wirklich gehen und haben zweimal Luftangriffe auf die Franzosen simuliert. Das war ein sehr gefährliches Spiel. Die französischen Soldaten waren zum Glück professionell genug, um nicht zu schießen. Aber das war nur noch eine Frage von Sekunden.

Haben Sie neue Informationen zum israelischen Angriff auf den UN-Posten in Khiyam im Juli vor einem Jahr? Dabei war auch ein österreichischer UN-Soldat getötet worden.

Pellegrini: Die Israelis beteuern, dass es sich um einen technischen Fehler gehandelt hat. Das Gegenteil zu beweisen, ist schwer. Aber meine persönliche Meinung ist: Mit allen technischen Möglichkeiten, die die Israelis zur Verfügung hatten, war es sehr schwierig so einen Fehler zu begehen. Die UN-Position war seit vielen Jahren bekannt. Und die Israelis haben eine präzise, Laser-gesteuerte Anti-Bunker-Bombe abgeworfen.

Israel hatte auch argumentiert, man habe Hisbollah-Stellungen nahe des UN-Postens angegriffen.

Pellegrini: Die nächste Hisbollah-Stellung befand sich 200 Meter vom UN-Posten entfernt.

Wie sah diese Hisbollah-Stellung aus, brauchte man für ihre Bekämpfung eine Bunker-brechende Waffe?

Pellegrini: Das weiß ich nicht, vielleicht. Die Hisbollah hatte viele ihrer Stellungen mit Beton verstärkt. Aber die Israelis haben den UN-Stützpunkt präzise getroffen, mit einer einzigen Bombe. Und sie wussten sehr genau, dass hier UN-Soldaten stationiert waren. Noch vor dem Luftangriff hatten die Israelis das Gebiet stundenlang mit Artillerie beschossen. Wir haben die israelischen Streitkräfte mehrmals gebeten, den Beschuss einzustellen. Doch sie taten es nicht.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.07.2007)

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