Storno, Strategie und ein Sickerwitz

(c) APA (Helmut Fohringer)
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Kulturpolitik. Kulturministerin Claudia Schmied hat Tritt gefasst. Wie stark? Sie wird hoch geschätzt. Hat sie auch etwas vorangebracht? Das bezweifeln viele. Und die Staatsopernentscheidung war womöglich doch kein Wunder.

Was war der Trick? Das fragen sich über einen Monat nach der Staatsopernentscheidung noch immer Kulturinteressierte und Medienleute. Dass Ministerin Claudia Schmied den Kanzler besiegte und anstelle von Neil Shicoff Dominique Meyer zum Opernchef kürte, war in der Amtszeit der ehemaligen Bankerin ihr eindeutig spektakulärster Coup. Wie ihr das gelingen konnte, darüber gibt es ein interessantes Gerücht.

Falls Schmied am Kanzler gescheitert und zurückgetreten wäre, hätte sie Vorstandsdirektorin bei der Raiffeisen Zentralbank werden können. Es soll ein Angebot gegeben haben. Diese Schlappe konnte Gusenbauer nicht riskieren: nicht nur seine Ministerin zu verlieren, sondern auch noch an die „Schwarzen“. RZB-Generaldirektor Walter Rothensteiner, engagierter Opernfreund, der im Staatsopern-Aufsichtsrat sitzt, war die letzten zwei Tage für eine Stellungnahme nicht zu erreichen. Sie hätte wohl auch nur in einem Dementi bestehen können.

Operndirektion und Budget, das waren Schmieds wesentliche Errungenschaften seit Februar. Die Budgeterhöhungen für Bundestheater und Museen fielen viel magerer aus als erhofft. Böser Finanzminister. Mit diesem Argument beschwichtigen seit Jahren Kulturpolitiker, gleich welcher Couleur, die empörten Kunstinstitute.

Bankwesen im Ministerium

Auch Schmied verwies auf das nächste Doppelbudget 2009/10. Dieser Tage allerdings hat sie gepunktet: Durch das Storno des Lok-Museums wurden Millionen frei, die Bundessammlungen können nun investieren. Vor allem das Kunsthistorische Museum in seine Kunstkammer. Gegen KHM-Generaldirektor Seipel ritt die SP früher neben den Grünen die wildesten Attacken. Es hagelte Rücktrittsforderungen. Seit die SP in der Regierung ist, scheint dieses Anliegen nicht mehr wichtig zu sein. Rein sachlich gesehen: Wenn man Seipels Vertrag 2008/09 auslaufen lassen will, sollte man ihm das bald mitteilen, aus Anstand, und um genug Zeit zu haben, einen Nachfolger zu finden.

Da Albertina-Direktor Klaus A. Schröder mit der neuerlichen baulichen Expansion der Grafischen Sammlung nach dem letzten Investitionskonzept als Seipel-Nachfolger wohl eher ausscheidet, muss man die Fühler, vermutlich nach einem internationalen Kandidaten, bald ausstrecken. In Deutschland wurden zuletzt einige wichtige Museen neu besetzt, etwa die Stiftung Preußischer Kulturbesitz; der Prähistoriker Hermann Parzinger wird ab 2008 in Berlin Präsident.

Die SP baut ihre Macht im Ministerium aus. Dies erleichtern natürliche Abgänge, des Diplomaten Klaus Wölfer (Kunstsektion) und der erfahrenen Kulturbeamtin Brigitte Böck (Museumssektion), sie tritt in den Ruhestand. Die Kunstsektion wurde mit der ehemaligen Scholten-Mitarbeiterin Andrea Ecker besetzt. Der durch die Bundestheater stark erweiterten Museumssektion wird vermutlich der 54-jährige Betriebswirt Michael Franz vorstehen, der über 20 Jahre bei der Bank Austria tätig war und zuletzt im Schmied-Büro. Welche Rolle spielt die Partei für Posten? „Die Parteizugehörigkeit ist Privatsache wie Religion“, meint ein Mitarbeiter des Schmied-Büros verschmitzt.

Polemisieren gegen Gehrer & Co.

Was es mit diesem netten Spruch in Wahrheit auf sich hat, wird man 2008 erfahren. Da muss nämlich der Vertrag des höchst tüchtigen Helmut Moser verlängert – oder die Präsidialsektion neu ausgeschrieben werden. Moser gilt als VP-nahe.

Strategie, Evaluierung, Konzepte, diese Wörter werden einem im SP-Ministerium fast noch häufiger serviert als unter VP-Ministerin Elisabeth Gehrer. Man will wohl signalisieren: Jetzt wird nüchtern, analytisch gearbeitet und nicht temperamentvoll improvisiert wie früher. Gegen Gehrer wird munter polemisiert. Sie ließ so vieles unerledigt, wird behauptet. Klar, die neue Führung muss Zeit gewinnen. Das gelingt am besten, indem man das Vorgängerregime abwertet, eine bekannte Vorgangsweise.

Interessant: Schmied wird, anders als Gehrer oder Morak, allseits gelobt. Ihre Sympathiewerte übertreffen freilich die tatsächlichen Ergebnisse. Das finden nicht nur die Grünen, die diese Woche die Ministerin heftig attackierten: Künstlersozialversicherung unerledigt, Museenlandschaft konzeptlos, nur ein Kulturausschuss, in dem der Kulturbericht 2005(!) diskutiert wurde; auch habe Schmied, so Kultursprecher Wolfgang Zinggl (siehe unten), den Salzburger Festspielen am Parlament vorbei Geld für 2009 versprochen, „während andere Kulturinstitutionen darben“. Die Armen. Die Festspiele sind für Schmied allerdings im Moment das Wichtigste. Sie beginnen bald, am 27.Juli, mutmaßlich mit dem jährlichen Finanzlamento, das sich mit Versprechungen mildern lässt. Alles Taktik, gut, aber alt.

ZUR PERSON: Ex-Bankerin mit vielen Kunstinteressen

Claudia Schmied, geboren am 10.Mai1959 in Wien, studierte an der Wirtschaftsuni, arbeitete bei der Investkredit und im Büro des früheren Finanzministers Edlinger. Ab 2004 war Schmied Vorstandsmitglied der Kommunalkredit. 2007 wurde sie Ministerin für Unterricht, Kunst und Kultur, die bis dahin zwischen Gehrer und Morak aufgeteilt war.

Erfahrungen im Kulturbereich sammelte Schmied als Mitglied des Kuratoriums der Salzburger Festspiele, im Aufsichtsrat der Bundestheater-Service-Tochter Art for Art sowie als Symphoniker-Vorstandsmitglied.

Der Kanzler habe sie frei wählen lassen, es habe keinen Kampf gegeben, erklärte Schmied nach dem Opernentscheid im Juni.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.07.2007)

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