Molterer: „Arbeitsmarkt rasch öffnen“

(c) Die Presse (Michaela Bruckberger)
  • Drucken

Abschottung des Arbeitsmarktes würde Österreich laut ÖVP Wohlstandsverluste bescheren.

Alpbach. „Wir müssen die Öffnung der Arbeitsmärkte offensiv angehen.“ Mit diesem Satz trat Vizekanzler und Finanzminister Wilhelm Molterer (ÖVP) am Donnerstag erstmals ganz explizit dafür ein, dass Menschen aus den neuen EU-Ländern in Österreich früher als ursprünglich geplant arbeiten dürfen. „Es hat keinen Sinn, dass wir bis 2011 warten“, sagte Molterer bei den Wirtschaftsgesprächen in Alpbach. Die wirkliche Gefahr sei nicht der Verlust an Arbeitsplätzen. Vielmehr führe die Abschottung zu „einem Wohlstandsverlust von zwei bis drei Milliarden Euro“.

Es wird sogar vor 2009 zu einer weiteren Öffnung in gewissen Branchen kommen, bestätigte Johannes Kopf, der Chef des Arbeitsmarktservice, der „Presse“. Bis September werde das AMS Wirtschaftsminister Martin Bartenstein (VP) eine Liste jener Branchen vorlegen, in denen es Fachkräftemangel gibt. „Ich kann mir vorstellen, dass der Minister nächstes Jahr wieder eine Fachkräfteverordnung machen wird, und die wird wohl größer sein und mehr Berufe umfassen.“ Fallen dürften die Grenzen für Maurer, Dachdecker, Bauspengler und Elektroinstallateure aus Osteuropa. Schon jetzt ist der Arbeitsmarkt für Schlüsselkräfte, Pfleger sowie Schweißer und Dreher aus den östlichen Nachbarländern offen.

Tumpel: „Österreicher zuerst“

Umgehend Kritik für seinen Vorstoß erntete der Vizekanzler von Arbeiterkammerpräsident Herbert Tumpel. „Zuerst müssen wir uns um die Österreicher kümmern“, betonte Tumpel. Es gehe nicht an, dass man nach ausländischen Facharbeitern rufe, und Österreicher gleichzeitig keine Chance erhielten, eine Ausbildung zu absolvieren. „Die ersten Klassen in den HTLs sind übervoll, da werden die Kinder hinausgeprüft“, sagte Tumpel. Diese Missstände im Bildungs- und Ausbildungssystem seien ein Grund für die Jugendarbeitslosigkeit. „40 Prozent der arbeitslosen Jungen haben lediglich Pflichtschulabschluss.“

Bemerkenswert ist die Haltung der Arbeiterkammer auch insofern, als sich auch hochrangige Vertreter des Österreichischen Gewerkschaftsbundes (ÖGB) in Sachen Arbeitsmarktöffnung ab 2009 gesprächsbereit zeigten. Allerdings nur unter der Bedingung, dass die Lehrlingsausbildung intensiviert werde.

FPÖ leistet AK Schützenhilfe

Auf Seiten der Arbeiterkammer findet sich derzeit nur noch die FPÖ, die sich insbesondere auf den ÖGB einschießt: „Offenbar ist die Gewerkschaft zum Erfüllungsgehilfen von Wirtschaftskammer und Industriellenvereinigung mutiert“, meinte der freiheitliche EU-Abgeordnete Andreas Mölzer. Denn auch bei einem nur teilweisen Fall der Schutzfristen wären Österreichs Arbeitnehmer einer Billigkonkurrenz aus den neuen EU-Staaten ausgesetzt. „Und die unausweichliche Folge wäre ein Anstieg der Arbeitslosigkeit hierzulande“, stellte Mölzer fest.

AMS-Chef Johannes Kopf sprach sich hingegen für eine Öffnung des Arbeitsmarktes 2009 aus. Er verhehlt dabei nicht, dass vor allem niedrig qualifizierte Österreicher dadurch in die Arbeitslosigkeit gedrängt werden könnten. Aber es sei besser, diese schmerzhaften Einschnitte in Zeiten einer Hochkonjunktur zu bewerkstelligen als später bei abschwellendem Wirtschaftswachstum.

„Wir brauchen mehr Zuwanderung, gerade weil wir Arbeitslosigkeit haben“, erklärte Klaus Zimmermann vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW). Wer die Zuwanderung qualifizierter Facharbeiter forciert, der generiere damit mehr Jobs für unqualifizierte Inländer, betont Zimmermann. Im Schatten der Facharbeiter fallen auch mehr Hilfsdienste an, die wiederum Arbeit für weniger gut Qualifizierte brächten.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 31.08.2007)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.