Amors Pfeile, verschossen

(c) Kunsthalle/Wyckoff
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Wahre Romantik? Die Kunsthalle zeigt mehr nichts als alles rund um Kunst und Liebe.

Nachdem man endlich auch in Anna Oppermanns sympathisch versponnener Eckinstallation auf einem der Dutzenden Zettel ein Herzchen erspäht hat, beim Schritt zurück fast den schwarzen Gummi- und den weißen Betonturm von Martin Kippenberger mitten in ihrer „Love without Racism“ unelegant unterbrochen hätte und sich während seines langen ratlosen Weges rund um Michael Sailstorfers zerstörten und wieder zusammengesetzten Autobus daran zu erinnern versucht, was genau dieses Trumm jetzt mit Dean und Mary Lou aus Jack Kerouacs „On the Road“ zu tun haben soll – da steht man, ein paar Windungen weiter, plötzlich mitten im Güldenen. Und könnte sich fast empören.

„Laura“ im Falschgoldkabinett

Hier, in der oberen Wiener Kunsthalle, muss ein schäbig wirkendes Falschgoldkabinett als zynische Folie der Postmoderne herhalten, für ein Meisterwerk der Renaissance, Giorgiones „Laura“ aus dem KHM. So eine schmähliche Behandlung hat sich der Nukleus dieser chaotischen Name-Dropping-Schau, der Petrarcas Ideal unerfüllter Liebe ins lorbeerumflorte Mädchenbild umsetzt, nicht verdient. Wie sich überhaupt das sowieso schon reichlich kulinarische Thema „Allegorien der Liebe von der Renaissance bis heute“ diese „True Romance“, so der Titel der Schau, nicht verdient hat. Die Mischung aus historischer und zeitgenössischer Kunst funktioniert in dieser respektlosen Konfrontation, diesem Jahrmarkt der Liebe nicht. Starke Werke ersticken einander, weniger starke gehen in diesem Wirbel wild abgeschossener Amor-Pfeile einfach unter.

„I'm lost/About to be smashed“ beginnt Tracey Emins Neon-Liebesgedicht. Es spricht einem sozusagen aus den Herzen, über die man überall stolpert, etwa Katharina Fritschs kaltes Zentralorgan, penibel am Boden arrangiert aus stilisierten Alumünzen. An der Wand flimmern dazu die Glühlämpchen von Noble/Websters altem Bombast-Rock-Klischee aus Herz, Schwert, Blutstropfen. Und im Hintergrund hört man die von Runa Islam bei einer Probe gefilmten Schauspieler, die sich, wie es ihr Job ist, ziemlich überzeugend falsche Emotionen ins Gesicht brüllen. „Ich liebe dich“, „Ich hasse dich“, dazwischen spielt sich das Leben ab. Darüber kann man nirgends besser verzweifeln als in der von der Kunsthalle tatsächlich mit Plüschherzpolstern ausgestatteten Jugendzimmmer-Venusgrotte, zwischen einem Paar Kopfhörer. Beim Soundcheck von dem, was wir schon wissen: Pop und Liebe, das reimt sich.

Verloren zwischen Motorradbräuten von Richard Prince, der von Tischbein d. Ä. gemalten Mär der trauernden Artemisia, die aufgelöst die Asche ihres Mannes trank und den erstickenden Küssen von Marina Abramovic und Ulay geistert der kuratorische Grundgedanke herum: Wie die alten Mythologien der Liebe, Petrarcas Laura, Venus und Amor, die Kunst bis heute beschäftigt. Nur selten wird das so klar wie bei Valie Exports Archiv der Körperhaltungen, Peter Weibels gemorphter Venus-Dia-Schau oder bei Lois Renner, der in seinem Miniaturmodell einer Pop-Konzertbühne ein ebenso winziges Amor-Gemälde fotografiert haben muss.

Ein Auge weniger, mindestens

Die Liebe ist die Liebe ist die Liebe. Eben. Ob in Zeiten der Cholera oder denen der Massenmedien. Anders als beim Roadmovie von 1993 (Drehbuch: Quentin Tarantino), von dem sich die Schau den Titel geklaut hat, darf in der Kunsthalle aber nicht alles so happy ausgehen wie mit dem idyllischen Strandspaziergang des Gangsterpärchens Clarence und Alabama. Es wird mit einem von Tracey Moffatt zusammengeschnittenen Showdown scheinbar aller brutaler Liebesenden der Filmgeschichte sogar noch einmal richtig böse. In einem aber fühlt man sich beim Verlassen dieses angerammelten Liebesnests Tarantinos Clarence aber dann doch noch sehr nahe. Auch er hatte am Ende seiner „True Romance“ ein Auge weniger.

AUSSTELLUNGEN

„True Romance. Allegorien der Liebe von der Renaissance bis heute“ versammelt in der Kunsthalle Wien 150 Werke von über 90 Künstlerinnen, darunter Giorgione, Klimt, Valie Export und Tracey Emin. Bis 3.2., tägl. 10–19h, Do. bis 22h. Die Schau wandert nach München und Kiel weiter.

„Romantischer Konzeptualismus“, Bawag Foundation, bis 1.12., Mo.–Sa. 10–18h.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.10.2007)

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