US-General: „Wir könnten noch einen Krieg führen“

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US-General Jack Stultz sieht seine Reservistentruppe durch den Irak-Krieg nicht am Ende der Kapazitäten.

Die Presse: Hat die Truppenaufstockung im Irak Auswirkungen auf die Einsatzbereitschaft der US-Reservistenarmeebei der Erfüllung anderer Aufgaben?

Jack Stultz: Unsere Truppenzahl ist nicht ähnlich stark gestiegen wie die der Kampftruppen. Weil wir in erster Linie für die Logistik verantwortlich sind, für die Versorgung, den Transport, die medizinische Betreuung, hat sich unser Einsatz bisher nicht dramatisch verändert.

Die Reservistenarmee scheint aber ausgedünnt. Im Oktober 2004 machte sie noch 36 Prozent der im Irak eingesetzten Truppen aus, jetzt sind es weniger als 25 Prozent.

Stultz: Das hat unter anderem auch mit der Rotation der Truppen zu tun. Als Ende 2004 die aktiven Soldaten zurückkehrten, übernahm die Reserve. Jetzt kamen etliche nach Hause und wurden durch aktive Truppen ersetzt, das ist ein Auf und Ab. Wir sind voll ausgelastet. Sind wir zu weit ausgelastet? Nein. Wir haben noch Kapazitäten.

Das heißt, Sie könnten noch einen Krieg führen, sagen wir beispielsweise gegen Iran?

Stultz: Mit den Reservisten, ja. Für die aktiven Soldaten der Armee kann ich nicht sprechen. Aber ich habe 200.000 Soldaten auf Abruf. Wenn jemand diese Nation bedroht und die Nation sagt: Wir müssen uns aktiv verteidigen – ja, die Reserve ist da.

Ihr Einsatz im Irak ist aber auch nicht leichter geworden.

Stultz: Am Anfang, nach dem Fall des Regimes, hat es viel Euphorie gegeben. Da haben Irakis mit uns kooperiert, sie sind zu uns gekommen und haben uns Hinweise gegeben. In bestimmten Gebieten passiert das noch immer. Aber in anderen Gebieten hat die Bevölkerung Angst, sie wissen nicht, wem sie vertrauen können. Wenn wir die Situation im Irak verbessern wollen, brauchen wir wieder das Vertrauen der Bevölkerung.

Und wie wollen Sie das schaffen?

Stultz: Ich weiß nicht. Das ist eine der Herausforderungen, vor denen wir stehen. Wenn Bomben in deiner unmittelbaren Nachbarschaft explodieren, wie weißt du, wem du vertrauen kannst? An dem müssen wir arbeiten, dass die Bevölkerung zur Armee und Polizei kommt, wenn sie Hinweise hat.

Wie lange, glauben Sie, werden Ihre Truppen noch im Irak sein? Bereiten Sie sich auf ein langfristiges Engagement vor?

Stultz: Die Bedrohung durch Terroristen wird es noch sehr lange geben, das ist eine dauerhafte Situation. Als Nation müssen wir uns auf einen langen Krieg einstellen ob im Irak oder sonst wo, das weiß ich nicht. Aber wir müssen bereit sein, das Land gegen den Terror zu verteidigen, und wir müssen in der Lage sein, das weltweit zu tun.

Man spöttelt über die Reservisten gerne als „Wochenend-Krieger“. Es wird immer wieder geklagt, große Teile der Reserve seien nicht einsatzbereit, weil es an Ausbildung und Material mangelt.

Stultz: Teilweise haben wir veraltete Ausrüstung und wir drängen darauf, modernes Gerät zu bekommen. Aber ein echtes Problem für den Einsatz ist das nicht. Wir haben mittlerweile die bestausgebildeten Soldaten, weil wir mit jedem Monat im Irak dazugelernt und das Training angepasst haben. Wir geben unseren Leuten auch eine kulturelle Ausbildung, wie man mit Moslems umgeht, wie man sie behandelt. Man gibt den Leuten nicht einfach einen Job und sagt: Ihr lernt das schon.

Mit dem Rekrutieren neuer Mitglieder scheint die Reserve überraschend wenig Probleme zu haben.

Stultz: Die effektivsten Werber sind die eigenen Soldaten, wenn sie über ihre Erfahrungen reden, ihre Erlebnisse, dass sie in aller Welt herumkommen sind. Einer hat mir ganz begeistert erzählt, dass er die Maya-Ruinen besuchen konnte, dank seines Einsatzes in Südamerika.

Das wiegt aber wohl kaum die Möglichkeit auf, in Bagdad oder Falluja zu landen.

Stultz: Die Soldaten schließen sich der Reserve mit dem Wissen an, dass sie möglicherweise in den Irak oder nach Afghanistan gehen müssen. Sie verstehen das. Die Vorbehalte kommen von den Eltern, die Angst um ihren Sohn haben. Das bedeutet, dass wir beim Rekrutieren auch die Eltern überzeugen müssen.

ZUR PERSON

Generalleutnant Jack Stultz ist seit Mai 2006 Chef der US-Reservistenarmee (knapp 200.000 Soldaten). Sie ist im Irak für die Versorgung der Kampftruppen zuständig (auch die medizinische) und den Transport.
[US Army]

("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.11.2007)

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