Patientenanwalt: Sofortpaket gegen Korruption

Die Presse (Fabry)
  • Drucken

Patientenanwalt fordert mehr Transparenz im Gesundheitswesen, um Missstände in den Griff zu bekommen – im „Presse“-Interview sagt AKH-Chef Reinhard Krepler, er könne nicht ausschließen, dass es „schwarze Schafe“ gebe.

WIEN. „In Wien ist die Welt noch in Ordnung“: Das ist die Botschaft, die Susanne Herbeck, ärztliche Leiterin des Krankenanstaltenverbundes (KAV) der Bundeshauptstadt vermitteln möchte. In KAV-Spitälern gebe es 7000 Betten, lediglich fünf Prozent der Betten seien von Patienten mit einer privaten Zusatzversicherung belegt.

Damit sei die Grundlage nicht gegeben, auf der geschehen könne, was die Anti-Korruptions-Organisation „Transparency International“ (TI) anprangert: Umreihungen bei Operationsterminen für Privatpatienten, spezielle Behandlung jener, die auch eine Privatordination eines Arztes besuchen. Bis hin zu dem, was TI als „echte Korruption“ bezeichnet: Wenn der Arzt bestochen wird. Herbeck weiter: „Bisher gibt es keine derartige Beschwerde – weder namentlich noch anonym.“

Reinhard Krepler, ärztlicher Direktor des Allgemeinen Krankenhauses (AKH) argumentiert im Gespräch mit der „Presse“ differenziert und begrüßt die derzeitige Debatte als „wertvoll“. Damit fährt er einen völlig anderen Kurs als die Ärztekammer, die Korruptions-Behauptungen als „Diffamierungskampagne“ bezeichnet.

Im AKH seien 1400 Ärzte, „es sind die besten Leute, trotzdem kann ich nicht ausschließen, dass sich der eine oder andere unrichtig verhält.“ Dies seien „schwarze Schafe“. Wie viele? „Ich glaube, dass die Zahl sehr, sehr gering ist.“ Krepler betont weiter, dass „niemand Angst zu haben vor Nachteilen, wenn ein Missstand aufgezeigt wird.“ Er sei nicht bereit, auch nur den leisesten Ansatz von Korruption zu dulden.

„Gesetzlich gibt es die Möglichkeit, dass 25 Prozent aller Betten Sonderklasse-Patienten vorbehalten sind. Tatsächlich liegen in ihnen sehr viele Patienten der allgemeinen Klasse (also ohne Zusatzversicherung, Anm.), im AKH gibt es nur etwa sechs Prozent Sonderklasse-Patienten.“ Außerdem gebe es auf jeder Station Beschwerdebriefkästen, in die auch anonyme Meldungen geworfen werden könnten.

„Schluss mit der Heuchelei“

Zur Festlegung von Operationsterminen meint Krepler, dass ein solcher vor allem von medizinischen Kriterien abhänge. Dass es überhaupt Wartelisten gebe, hänge mit den vorhandenen Ressourcen zusammen: „Das AKH ist für 800 Herzoperationen im Jahr ausgelegt. Tatsächlich operieren wir jedoch 1200-mal am Herzen.“

In Österreich bestehen 2,539 Millionen Zusatzversicherungen, 1,385 Millionen davon betreffen den Ersatz von Krankenhauskosten, 1,07 Millionen die Vollkostendeckung.

Laut Versicherungsverband sind im Vorjahr 713 Millionen Euro ausbezahlt worden – in dieser Summe sind jedoch auch die Taggelder enthalten, die Patienten erhalten. Der Hauptverband der Sozialversicherungsträger deckt etwa 40 bis 50 Prozent der Spitalskosten ab – im Vorjahr waren dies 3,45 Milliarden Euro, der Rest wird vom Bund und Spitalserhalter bezahlt.

Nicht die Privatversicherung hält Gerald Bachinger für das Problem, sondern dass dabei ein direktes Rechtsverhältnis zwischen Primararzt und Patienten hergestellt werde. Bachinger ist Sprecher der österreichischen Patientenanwälte und hat an dem TI-Report über Korruption im Gesundheitswesen mitgearbeitet. Seine Vorschläge, um „schwarzen Schafen“ in Krankenhäusern das Handwerk zu legen:
•„Kein Problem, wenn Ärzte ein Zusatzhonorar bekommen – aber sie sollen es über den Spitalsbetreiber bekommen. Das wäre eine saubere Lösung.“
•Transparenz bei der Einteilung von Operationen. „In der Grazer Augenklinik liegt eine Liste von Kriterien auf, aufgrund derer ein Termin festgelegt wird – ein ,best practice‘-Beispiel.“
•Schaffung einer unabhängigen Stelle, das Beschwerden – auch anonyme – behandelt. „Eine derartige Stelle in der Ärztekammer kann nie so viel Vertrauen genießen wie eine unabhängige. Die Ärztekammer vertritt nun einmal Ärzte.“
•Zu guter Letzt will Bachinger transparente Kriterien für den Betrieb von Privatordinationen von Spitalsärzten – „und Kontrolle dieser Kriterien“. Bachinger meint, „dass man mit der Heuchelei Schluss machen muss – so zu tun, als gebe es Korruption im Gesundheitswesen nicht.“

Ein Interviewerlaubnis für den Generaldirektor für öffentliche Gesundheit verweigerte das Gesundheitsministerium.

AUF EINEN BLICK

In Wien gebe es Korruption nicht, sagt die Chefin der Gemeindespitäler. Der AKH-Chef kann sie nicht zu 100 Prozent ausschließen. Und der Sprecher der Patientenanwälte fordert, dass konkrete Gegenmaßnahmen ergriffen werden.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.12.2007)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.