Museumslandschaft mit Nebelkanonen

Schmieds Reform ist vorderhand eine Totgeburt. Trotzdem könnte sie allerhand Nützliches bewirken.

Lange Gesichter gab es bei den Journalisten nach einer Pressekonferenz Montagabend im Kulturministerium. „Staatliche Museumspolitik“ lautete der öde Titel. Mancher hoffte indes vage, Neues zum Kunsthistorischen Museum (KHM) zu erfahren. Die Ausschreibungsfrist für die Generaldirektion läuft zwar noch bis Ende Jänner. Aber man kann nie wissen, was Politikern einfällt. Dass es freilich so wenig sein würde, war dann doch eine herbe Enttäuschung: Der neue Sektionsleiter für Museen und Bundestheater, Ex-Banker Michael Franz, und die Mitglieder der von Ministerin Claudia Schmied eingesetzten Reformgruppe für die Bundessammlungen reihten eine Plattitüde an die andere.

Von kontroversiellen Diskussionen war da die Rede, von Zentralisierung versus Autonomie, von Konkurrenz, Konflikt, Konsens. Man hatte Mühe, nicht einzuschlafen. Erstaunlich, wie wenig über 40 meist hochrangige Experten aus dem In- und Ausland zum wahrhaft heißen Thema „Neuordnung der Museumslandschaft“ – so lautet das von Schmied verordnete Ziel – zu sagen haben. Weitere Sitzungen im Jänner und Februar sind bereits angesetzt.

Das sind wir jetzt echt gespannt. Vor allem nach den Reaktionen, die, natürlich inoffiziell, aus den Museen drangen. „Ich bin jetzt noch bewusstlos“, brummte einer der Direktoren. Ein anderer meinte, so viel heiße Luft habe er kaum je zuvor genossen.

Nur sparsame 100.000 Euro werde die Fact-Finding-Mission kosten, versprach Sektionsleiter Franz. Kaum zu glauben bei der Vielzahl von Kapazundern, die doch wohl kaum für Gottes Lohn anreisen und Referate halten bzw. sich den Kopf zerbrechen, wie unsere Museen künftig attraktiver, zukunftsträchtiger zu gestalten seien.

Notwendig wäre es ja, dass bei dem vielen Gerede etwas herauskäme. Ein Beispiel: Wie geht es mit der seit Jahren nicht bzw. kaum erhöhten Basis-Subvention weiter? Die Museen haben stattliche Privatmittel lukriert. Verabschiedet sich der Bund, nachdem er in den Achtziger- und Neunzigerjahren viele Schilling-Milliarden in die Sanierung der Häuser gesteckt hat, aus der Verantwortung für das nationale Erbe und überlässt es bis auf eine Grundausstattung Mäzenen und Sponsoren? Eine Horror-Vorstellung für viele Kunstfreunde.

Ein weiteres Beispiel: Interdisziplinäre Ausstellungen und Themen sind die Zukunft. Mit Picasso- und Klimt-Personalen wird man nicht ewig punkten können, auch nicht mit der Klassischen Moderne. Kluge, originelle Konzepte sind gefragt. Der Egoismus der Häuser und der Direktoren muss reduziert werden. Kooperation ohne kleinliche Mir-san-mir-Mentalität ist gefragt.

Bei solchen Themen kann sich der Staat nützlich machen – durch klare Vorgaben, Leistungsvereinbarungen, durchaus auch grob programmatisch, vor allem aber, indem er fähige Direktoren bestellt. Mit endlosem Im-Kreis-Schwätzen ist nichts zu gewinnen. Gremien, Papiere gab es schon in der Vergangenheit genug. Da verfransen sich Experten in Details, während Politiker hinter den Kulissen eifrig parteipolitisch umfärben – im Ministerium wie auch in den Kuratorien, den Aufsichtsorganen der Museen. War dort früher „Schwarz“ gefragt, ist es jetzt „Rot“ oder allenfalls „Grün“.

Aber vielleicht dient die ganze Museumsreform ja gar nicht irgendwelchem Brainstorming, sondern eine unerfahrene Administration, die in den nächsten Jahren viele Museumsdirektoren finden, Kulturposten besetzen muss (Moderne-, Natur-Museum, MAK), sieht sich nach möglichen Kandidaten um, indem sie Experten nach Wien einlädt. Vielleicht haben die Journalisten Montag im Ministerium, ohne es zu wissen, sogar schon den neuen KHM-General gesehen. Einer der Referenten war nämlich Martin Roth, Generaldirektor der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden.


Nachdem Max Hollein offenbar sein Frankfurter Imperium mit Schirn-Kunsthalle und Städel-Museum nicht verlassen will, wäre Roth ein hoch attraktiver neuer Favorit: Ethnologe, Kulturwissenschaftler, ein erfahrener Manager, vertraut mit finanziellen Belangen: Die Dresdner Kunstsammlungen – die im Übrigen viel mit dem KHM gemeinsam haben, historisch, aber auch in der großen Bandbreite der Objekte – erwirtschaften einen erheblichen Teil ihrer Ausgaben selbst. Roth ist 52 Jahre alt, eloquent, souverän, telegen und sympathisch.

Freilich, bevor eine Entscheidung fällt, in welche Richtung immer, wird man noch durch viele Nebelschwaden irren und sich wundern dürfen, was eine Ministerin und ihre Mitarbeiter, die den Anschein von Aktion erzeugen wollen und müssen, um Zeit zu gewinnen, alles ausprobieren.

Interview mit Museumsgeneral Martin Roth S. 29


barbara.petsch@diepresse.com("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.01.2008)

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