„Eine hochattraktive Stelle!“

Die Presse (Fabry)
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Martin Roth, Generaldirektor der Dresdner Kunstsammlungen, schwärmt für das KHM in Wien.

Die Presse: Sie gelten als aussichtsreicher Kandidat für die Seipel-Nachfolge im Kunsthistorischen Museum (KHM), haben sich aber 2007 selbst aus dem Rennen genommen und gemeint, Sie wollen nicht genannt werden. Warum? Es ist ja wohl keine Schande, als KHM-Generaldirektor in Frage zu kommen.

Martin Roth: Sicher nicht. Aber ich habe in den letzten Jahren relativ schlechte Erfahrungen gemacht mit solchen Meldungen in der Presse. Bevor man angesprochen wird, bevor ausgeschrieben wird, wird man schon genannt. Natürlich ist das auch ein Lob, aber ich engagiere mich sehr stark in Dresden, wie bei all meinen Aufgaben. Wir haben ein sehr gutes Team. Ich möchte die Leute nicht verunsichern – und auch ich möchte Ruhe haben. Aufgeregte Debatten, ob ich weggehe, kann ich nicht brauchen.

Haben Sie einen befristeten Vertrag?

Roth: Ich bin Beamter.

Als deutscher Beamter geht man nicht unbedingt leicht weg, soweit ich weiß.

Roth: Wien ist hochattraktiv, ebenso das KHM. Es gibt im europäischen Ranking nicht viele solche Stellen. Diese herrliche Sammlung, ich bitte Sie! Aber wenn es darum geht, wer Direktor werden soll, dann erwartet man sich doch erst mal behutsame Gespräche mit den Verantwortlichen und nicht Diskussionen in der Presse, wo einen dann so und so viel Leute anrufen.

Ist die Ausschreibung eines solchen Postens überhaupt sinnvoll? Die Bayern vergeben ihre Gemäldesammlungen demnächst ohne Ausschreibung, weil sich die gewichtigen Kandidaten sowieso nicht bewerben.

Roth: Ich glaube, es ist völlig egal, wie man es macht, ob man Headhunter losschickt, ausschreibt oder nicht. Ich bin in meinem Bereich mit Ausschreibungen nie schlecht gefahren. Ich mache es aber schon so, dass ich mit meinen Wunschkandidaten spreche.

Was sind die wichtigsten Qualifikationen eines KHM-Chefs? Früher war das Wissenschaftliche wichtig. Heute kommen andere Aufgaben dazu, Management, Sponsoring.

Roth: Da müssen Sie Herrn Seipel fragen, was man im KHM können muss. Ich kann Ihnen das nur für Dresden sagen. Meiner Ansicht nach ist die inhaltliche Kenntnis sehr wichtig, sonst kann man die Arbeit relativ schlecht bewältigen. Management ist natürlich auch wichtig. Aber ich glaube, das ist bei unseren Vorvorgängern nicht anders gewesen. Wenn ich schaue, was meine Kollegen in den Zwanzigerjahren so gemacht haben – und ich habe mich relativ intensiv damit auseinandergesetzt im Zuge der Debatte über Restitutionen. Da gab es einen sogenannten Patronatsverein, der Gelder sammelte, um Werke anzukaufen. Da gab es Ausstellungen im Ausland – und da gab es auch eine kritische Debatte mit der Politik.

Sie selbst sind nicht Kunsthistoriker.

Roth: Nein. Ich habe Kulturwissenschaften und Ethnologie studiert. Auf jeden Fall muss man wissen, worüber man redet. Gerade weil sich in den Museen in Europa in den letzten Jahren viel Verschiedenes getan hat, muss man die Qualitätsdebatte immer wieder ganz oben ansetzen. Das Kerngeschäft ist die inhaltliche Arbeit.

Die Inhalte, ob Kunst, Technik oder Natur, können aber heute doch viel besser verkauft werden, durch Präsentation, Vermittlung.

Roth: Da bin ich nicht so sicher. Der Zug der Zeit geht doch in Richtung schnelle Events, rasche Erfolge: Raus aus dem Depot, ran an die Wand. Ich wehre mich dagegen und versuche die Qualität hochzuhalten.

Mischt sich der Staat bei Ihnen ein?

Roth: Das habe ich noch nie erlebt, und ich bin seit 25 Jahren in diesem Geschäft.

Was soll also die von Ministerin Schmied geplante Museumsreform bringen? Sie waren als Gast am Montag zur Debatte geladen.

Roth: Ich bin nicht berufen, jetzt hier zu kommentieren, was es in Wien gibt. Den Diskurs finde ich durchaus sinnvoll, weil das Schlimmste ist, wenn man nicht miteinander redet. Die Selbstständigkeit der österreichischen Museen zweifelt niemand an oder will sie rückgängig machen. Das glaube ich nicht. Trotzdem sollte man Ziele und Themen für die Zukunft formulieren.

Die Bundesmuseen beklagen vor allem die seit Jahren nicht erhöhte Staatssubvention. In Deutschland ist die Lage vieler Kulturinstitutionen viel gravierender. Da wird gekürzt. Wie ist es denn bei den Dresdner Sammlungen?

Roth: Sehr schwierig. Der Personalstock in Sachsen ist viel zu gering im Vergleich zu Museen in Paris oder New York. Das ist mörderisch. Der allmähliche Rückzug des Staates ist ganz allgemein gesagt der Anfang vom Ende, weil es dann kein Geld mehr gibt für klassische Themen wie Bildungsarbeit, Wissenschaft, Forschung. Wir müssen weg von dem reinen Präsentieren und Elitedenken, hin zu mehr substanzieller Arbeit.

Welchen Einfluss wird, soll, muss der Staat bei den Museen künftig haben?

Roth: Er muss das nationale Erbe sichern. Private leisten immer nur einen Teil. Der Staat sind übrigens wir: Sie, ich, der Taxifahrer, der Ministerpräsident – und Ihr Kanzler.

EIN VIEL GELOBTER: M. Roth

Dem gebürtigen Stuttgarter (52) widmete die Frankfurter Allgemeine Zeitung eine Hymne: mag Herausforderungen, schlägt Brücken zwischen Museum & Leben, Natur & Kunst. Roth leitete u.a. das Hygiene-Museum, bevor er vor sechs Jahren die Dresdner Kunstsammlungen übernahm.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.01.2008)

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