Die FPÖ als Hilfs-Muezzin

Jene unappetitliche Grazer Pöbelei gegen den Islam lässt dessen problematische Aspekte leider nicht verschwinden.

Wäre Alkohol im Islam nicht verpönt, hätten die Interessenvertreter der Muslime in Österreich einigen Grund, ganz ausnahmsweise eine Flasche Champagner vom besten zu köpfen. Denn zwar mag die von bemerkenswerter intellektueller Schlankheit geprägte Auslassung einer Grazer Lokalpolitikerin über die Muslime deren Proponenten beleidigt haben; und, im Gegensatz zu manch anderen Anlässen wie den dänischen Karikaturen, diesmal in durchaus nachvollziehbarer Weise.

Dem steht allerdings objektiv besehen gegenüber, dass sich nahezu alle politischen, religiösen und medialen Meinungsführer in einer seit dem 11.September noch nie da gewesenen Intensität mit der so tölpelhaft angepöbelten Religion solidarisiert haben; und sei es im einen oder anderen Fall auch mit deutlich zusammengebissenen Zähnen. So viel Sympathie wie in diesen Tagen war schon lange nicht mehr auf Seiten der Muslime. Mit ihrem ästhetisch anspruchsfreien Exkurs über den Zusammenhang zwischen Mohammeds Sexualleben vor 1400 Jahren mit der Grazer Kommunalpolitik des 21.Jahrhunderts hat die FPÖ-Politikerin dem Islam in Österreich nach Jahren der Defensive erstmals zu einem Terraingewinn in der öffentlichen Debatte rund um problematische Aspekte dieser Religion verholfen.

Das wird es auf einige Zeit noch schwieriger machen, eine inhaltliche Auseinandersetzung mit dem Islam – nicht etwa nur dem Islamismus – zu führen, deren Notwendigkeit leider ja nicht dadurch verschwindet, dass sich jemand wie die blaue Dame in Graz derart daneben benimmt.

Es ist dies eine Auseinandersetzung etwa darüber, woran es liegt, dass in ganz Europa die sozialen Spannungen dort besonders hoch sind, wo der Anteil muslimischer Immigration besonders hoch ist; nicht jedoch dort, wo beispielsweise sozial ebenso deklassierte, aber den asiatischen Religionen angehörige Einwanderer aus Asien vorherrschen.

Es ist dies eine Auseinandersetzung darüber, warum ein zu hoher Anteil der muslimischen Immigranten ernsthafte Probleme damit hat, die hierzulande vorhandenen Mindeststandards im Verhältnis zwischen Männern und Frauen wenigstens einigermaßen zu akzeptieren.

Es ist dies eine Auseinandersetzung darüber, ob der Islam mit seinem Anspruch, nicht nur Religion, sondern auch gesellschaftliche Ordnung zu sein, mit der strikten Trennung von Kirche und Staat letztlich vereinbar ist.

Und es ist dies zwar keine Auseinandersetzung über die außerordentlich uninteressante Frage, welche Frau Mohammeds wann wie alt war – wohl aber darüber, welcher Zusammenhang zwischen dem teils extrem rigorosen Sexualregime in der islamischen Welt einerseits und andererseits der Neigung darob psychisch deformierter junger Männer besteht, sich im Extremfall einen Sprengstoffgürtel umzuschnallen.

Dass freilich künftig jeder, der diese Themen öffentlich erörtert, damit rechnen muss, von Gestalten wie jener in Graz mit Zustimmung behelligt zu werden, wird diese Erörterung nicht gerade leichter machen. Der Dame kann wirklich gratuliert werden.

Christian Ortner ist Journalist in Wien.


christian-ortner@chello.at("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.01.2008)

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