Wie nützlich sind Bankenpleiten?

Die Geldhäuser brauchen nicht mehr Kontrolle, sondern mehr Angst ums eigene Überleben.

Karl Marx in seinem Grab am Highgate-Friedhof, nur ein paar Kilometer außerhalb der City of London, dem Herz der globalen Finanzmärkte, wird vermutlich ziemlich viel Spaß haben in diesen Tagen.

Denn je klarer sichtbar wird, wie ernst die Krise der weltweiten Finanzindustrie wirklich ist und welch höchst unerfreuliche Auswirkungen auf unser aller wirtschaftliche Befindlichkeit sie hat, um so lauter rufen (fast) alle nach der ordnenden Hand des Staates.

Jetzt schlägt die Stunde der Regulierer, Marktskeptiker und Staatsinterventionisten.Das ist insofern auch nachvollziehbar, als die drohende Kernschmelze der Geldmärkte ja vordergründig Folge eines Marktexzesses ist; genauer eines exzessiven Verhaltens von Marktteilnehmern, die allesamt den Schlund nicht voll genug kriegen konnten und daher astronomische Risken eingingen.

Unbeachtet bleibt bei dieser Argumentation freilich, was jedenfalls (Mit-)Ursache dieser Exzesse war: dass ausgerechnet für Banken ein ganz zentrales Kriterium freier Märkte nicht galt und gilt. Denn im Gegensatz zu allen anderen Unternehmen können sich (größere) Banken seit Jahrzehnten darauf verlassen, nie Pleite gehen zu müssen, mögen sie sich auch noch so sehr verspekuliert haben. Für sie gilt nahezu ausnahmslos eine manchmal ausgesprochene, stets aber informelle, unlimitierte Staatshaftung, weil nach den Erfahrungen des vergangenen Jahrhunderts keine Nation das Risiko eines derartigen Bankenkrachs eingehen will.

Im Gegensatz zu allen anderen Unternehmen sind Banken daher nicht dem wirksamsten aller Mittel ausgesetzt, die Risikobereitschaft ihrer Manager zu limitieren – der Gefahr des eigenen Unterganges, mit Mann und Mäusen. Wer weiß, dass hochriskante Geschäfte die Aktionäre glücklich machen und damit den eigenen Bonus hochtreiben, solange sie gut gehen, allfällige Verluste aber verlässlich vom Staat getragen werden, würde geradezu gegen seine eigenen Interessen handeln, ginge er nicht zumindest beträchtliche Risken ein.

Das gilt umso mehr, als die De-facto-Garantie des Staates ja auch dazu führt, dass die Zocker in den Chefetagen kaum strafrechtliche Konsequenzen fürchten müssen: Wenn die Bank nicht Pleite geht, kann logischerweise auch niemand für diese Pleite strafrechtlich belangt werden.

Es ist naturgemäß nicht beweisbar, aber mit hoher Wahrscheinlichkeit gilt daher: Wären Banken genauso existenziellen Risken ausgesetzt wie alle anderen Unternehmungen, gingen sie nicht derart hohe Risken ein wie die nun sichtbar gewordenen.

Was vordergründig wie ein Versagen der Märkte aussieht, kann daher durchaus als logische Folge einer permanenten, massiven staatlichen Intervention in das Marktgeschehen verstanden werden.

Man kann diese Staatshaftungen angesichts der Risken allfälliger Bankenpleiten durchaus für vertretbar halten. Intellektuell unredlich ist freilich, die durch diese Staatseingriffe mitverursachten Risikoexzesse dem vermeintlich zu wenig regulierten Markt in die Schuhe zu schieben.

Christian Ortner ist Journalist in Wien.


christian-ortner@chello.at("Die Presse", Print-Ausgabe, 01.02.2008)

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