"Ruhe, bitte!": Stenzels Kampf gegen die Straßenkunst

(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Die City-Chefin will die Straßenkünstler zeitlich und räumlich einschränken. Und bekommt im Bezirk dafür sogar Rückendeckung von den anderen Parteien.

Wien. Als Ursula Stenzel hat man's nicht leicht. Kaum hat ihre Innere Stadt Punschhütten und Silvesterpfad überstanden, da macht sich auch schon der Frühling bemerkbar. Der dann wieder sie massenweise in die City spülen wird: Die Straßenkünstler.

Die hat die Bezirkschefin (VP) auch heuer zur Chefsache erklärt. Und wer Stenzel kennt, ahnt schon, dass das einer Kampfansage gleichkommt. Eine Beschränkung der Straßenkunst schwebt Stenzel vor, um den Anrainern und Geschäftsleuten zu helfen, die sich vor allem durch die Musiker belästigt fühlen.

Geht es nach der City-Chefin, soll jeder Künstler maximal eine Stunde pro Tag auftreten dürfen. Damit würde die „akustische Zwangsbeglückung durch so genannte Musiker, die stundenlang nur eine einzige Melodie spielen“ reduziert, sagt Stenzel.

Maximal eine Stunde – oder auch gar nicht. Denn an einigen Orten – in der Gegend rund um den Stephansdom – will Stenzel musikalische Darbietungen überhaupt verbieten. Live-Musik soll nur noch an penibel ausgewählten Orten möglich sein, wie auf der Tuchlauben „vor der Erste Bank zwischen den zwei Blumentrögen“ (!) oder in der Kärntner Straße „beim Baum direkt vor dem H&M Eingang“.

So steht es in einem Antrag, den die Kulturkommission des Ersten Bezirks vor einiger Zeit beschlossen hat: „Einstimmig“, wie deren Vorsitzende, Maria Graff (ebenfalls VP) betont. Denn ausnahmsweise hat Stenzel diesmal alle Parteien im Bezirk hinter sich.

Die Straßenkünstler – Schätzungen zufolge sind es ca. 80 – reagieren auf Stenzels Vorschläge beunruhigt bis ungläubig. „Eine Stunde pro Tag ist viel zu kurz, immerhin leben einige Künstler von der Straßenkunst“, kritisiert der Maler Christoph Appel, Gründer der Plattform „Freedom for Street Art“, die Unterschriften für die Straßenkunst sammelt. Die vorgeschlagenen Orte seien nicht attraktiv. „Da ist kein Platz für Publikum oder es kommen zu wenige Leute vorbei.“

Was die Künstler noch mehr beunruhigt: Stenzels Idee, dass jeder, der in der Stadt auftreten will, vor einer Jury vorspielen muss. Je nachdem, wie die Performance ankommt, darf der Künstler dann in der City singen/spielen/malen – oder auch nicht. „Das ist eine Art Zensur“, so Appel. „Was Kunst ist und was nicht, sollte keine Jury entscheiden. Das reguliert die Kunstszene von selbst“. Die Freiheit der Kunst sieht Stenzel wiederum nicht eingeschränkt – „denn das müsste man ja dem Staatsoperndirektor oder whoever auch vorwerfen“, meint sie. „Der wählt sein Programm ja auch aus.“ Im Gegenteil: Aus dem Vorspielen könnte man „ein entzückendes Festival machen“.

Weiters soll jeder Künstler eine Platzkarte benötigen. Eine solche brauchen etwa Maler oder Jongleure bisher nicht. Nur Musiker, die zwischen 17 und 21 Uhr auftreten wollen, müssen bei der MA 36 eine Platzkarte beantragen – und auch nur für insgesamt acht Standorte in der City, darunter der Graben. Für alle übrigen „Musizierplätze“ (wie Am Hof) ist laut „Straßenkunstverordnung“ keine Platzkarte nötig.

Keine eigenen CD-Player

Deren Vergabe würde der erste Bezirk der MA 36 am liebsten abnehmen. „Es wäre sinnvoll, wenn die Künstler sie direkt in der Bezirksvorstehung abholen“, glaubt Graff. Und sich dort auch gleich CD-Player ausborgen. Denn eigene mitzubringen, will der Bezirk untersagen. Und die Leihgeräte, verrät Stenzel, könnte man nicht so laut aufdrehen. Dann würde etwa jene „Street-Breakdancer“-Gruppe – Stenzels Lieblings-Worst-Practice-Beispiel – weniger Lärm machen, die „immer ausgerechnet im Nahbereich des Stephansdoms“ auftritt.

Von all diesen Ideen hält der zuständige Kulturstadtrat Andreas Mailath-Pokorny nichts. „Straßenkunst gehört zum Flair einer Weltstadt“, so seine Sprecherin. „Wir wollen Straßenkunst nicht verhindern, sondern ermöglichen“. „Tragisch“, klagt Graff. „Kaltschnäuzig“, findet Stenzel. Aber aufgeben, nur weil der Stadtrat dagegen ist, will sie nicht. Sondern weiter „Lobbying“ betreiben, denn das Problem mit der Straßenkunst sei schon jetzt im Winter „akut“. Nein, als Ursula Stenzel hat man's nicht leicht. Und dabei hat die Fußball-EM noch gar nicht begonnen.

AUF EINEN BLICK

Der erste Bezirk will Straßenkünstler zeitlich (max. eine Stunde pro Tag) und räumlich (keine Live-Musik um den Stephansdom) beschränken. Die Künstler sammeln dagegen Unterschriften:

www.strassenkunst.gnx.at("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.02.2008)

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