"Geschichten aus dem Wiener Wald": Naturgeil im Wiener Wald

(c) APA (Helmut Fohringer)
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Das Volkstheater versucht sich an Horváth und produziert eine Geisterbahn. Eine grelle Inszenierung Georg Schmiedleitners.

Der Vorhang geht auf bei der Premiere am Freitag, die Bühne ist bedeckt mit einem wallenden Seidentuch, im Hintergrund, vor Weinranken, quert Michael Schottenberg den von Stefan Brandtmayr gestalteten Raum. Schottenberg hat eine Spielzeugtrompete in der Hand, er ist der Zauberkönig, der gnadenlose Vater der Marianne. Der Direktor versucht sich also an den "Geschichten aus dem Wiener Wald". Die Verhüllung wird weggezogen, der Boden besteht aus onduliertem, hellen Holz. Dort am schönen Donaustrand liegen sie schon wie die Leichen, die rund ein Dutzend Darsteller. Das passt, denn das 1931 uraufgeführte Drama kennt keine Gnade. Es ist ein Fleischhauerstück, unter der Gemütlichkeit bleiben nur die Bana übrig.

Vom Kannibalismus ist aber wenig zu spüren in der grellen Inszenierung Georg Schmiedleitners. So gefällig ist sie, dass man von einer simultanen Aufführung gleich dreier Stücke sprechen kann; eine Farce, ein hohes Drama und ein bisschen Horváth ist dabei in diesem ständigen Auf und Ab. Der Regisseur hat sich, die Schauspieler und vielleicht auch das Publikum überfordert mit dieser Geisterbahnfahrt durchs Volkstheater.

Zur Farce: Mit Schottenberg und einem Teil des Ensembles ist die Spiellust durchgegangen. Wenn sich der besoffene Zauberkönig und die allzeit bereite Trafikantin Valerie (Maria Bill) nach der Jause (alle trinken Wein aus Dopplern) gegenseitig an den Geschlechtsteilen beschnüffeln, geschieht das zum Gaudium des Publikums.

Ein tierischer Spaß für die Vorstadt

Hier drängt sich das Direktorenpaar etwas penetrant an die Rampe. Ein klarer Fall von Naturgeilheit. In der Übertreibung wird das Duo noch geschlagen vom Fleischhauergesellen Havlitschek und seiner Emma: Christoph F. Krutzler, Annette Isabella Holzmann spielen bizarre Liebesszenen, Schenkelklopfer für die Vorstadt. Ein tierischer Spaß. Er lenkt ab von der tragischen Hauptsache.

Zum hohen Drama: Katharina Vötter als Protagonistin Marianne wirkt zuweilen so, als ob sie sich aus der "Johanna von Orleans" ins falsche Stück verirrt hätte, so pathetisch wird ihr Ton. Den darf sie nicht halten, und so kommt es zu Abstürzen, wie das eben auf der Hochschaubahn im Wurstelprater üblich ist. Schade, denn diese Schauspielerin hat an sich eine starke Präsenz, wirkt sensibel und erdig zugleich, doch die Inszenierung lässt sie nicht aufblühen.

Homogen wirkt dagegen paradoxerweise Robert Palfrader, begnadeter TV-Komödiant, der dem Kabarettistischen in dieser Inszenierung gänzlich widersteht. Er ist als ernster, brutal-sensibler Fleischhauer Oskar, als ungeliebter Verlobter Mariannes, die Entdeckung des Abends. Seltsam: Wie in diesem Haus derzeit Andreas Vitásek in "Einen Jux will er sich machen", trägt auch Palfrader den Abend, als Gegengewicht zu vielen Knallchargen. Eine makellose Leistung.

Horváth tiefschwarz, wie man ihn aus dem Film kennt, wurde auch von anderen geboten, etwa von Johanna Mertinz im Kurzauftritt als gnädige Frau. Beatrice Frey überzeugt als Mutter des windigen Verführers Alfred, der Marianne ein Kind anhängt und sie prompt verlässt. Alfred wird von Marcello de Nardo tadellos gespielt, wenn ihm auch gerade in den Szenen mit Marianne etwas die Finesse fehlt. Am besten entwickelt er seine Rolle im Dialog mit der Großmutter: Erni Mangold ist im Verein mit del Nardo ein grandioses Monster, Kind und kindsmörderische Greisin zugleich. Aber selbst sie steht an diesem wechselhaften Abend gelegentlich zu sehr an der Rampe.

Dorthin drängt es fast alle, auch Günther Wiederschwinger als Strizzi Hierlinger, Johannes Seilern als geckenhaften Rittmeister, Thomas Bauer als skurrilen Mister und Thomas Meczele als dummen Jungnazi Erich. Artisten, Tiere, Sensationen lautet das Motto bei dieser modischen Interpretation eines musikalischen Volksstücks. Das ist zu viel an Oberflächlichkeit und zu wenig für eine tiefere Auseinandersetzung mit Horvath. Man ist ihm einfach aus dem Weg gegangen.

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