Mineralwasser: Vom Durstlöscher zum Lifestyle-Getränk

Die Branche profitiert vom Wellness- und Gesundheitstrend.

Wer in einem gehobenen Lokal heutzutage ein „Mineralwasser“ bestellt, hat gute Chancen, sich bis auf die Knochen zu blamieren. Er hätte genauso gut „einen Wein“ bestellen können. Bis zu 20 Marken aus unterschiedlichen Ländern und in jeglicher Preislage sind in Spitzenrestaurants keine Seltenheit mehr – zumindest Grundkenntnisse sollte man da schon mitbringen. Das heißt nicht, dass es heute mehr Wasserfeinschmecker gibt als früher. Es deutet vielmehr daraufhin, dass die Marketingstrategien der Mineralwasserproduzenten voll aufgegangen sind. „Laien tun sich meist schwer, die Unterschiede zwischen verschiedenen Wassern herauszuschmecken“, berichtet Michael Werner vom Edel-Restaurant Shambala in Wien, das eine Karte mit rund 30 Wassersorten führt. „Der Imagegewinn vom einfachen Durstlöscher zum Lifestyle-Produkt ist daher wohl eher auf das heutige, ausgefeilte Design der Flaschen zurückzuführen“, vermutet der Wasserexperte. Extremstes Beispiel: ein amerikanisches Wasser names „bling“, das in einer geeisten, mit Swarovski-Kristallen besetzten Flasche serviert wird. Kostenpunkt: 88 Euro.

Neues Körperbewusstsein

Auch abseits der gehobenen Gastronomie ist Mineralwasser in den letzten Jahren zu einem angesagten Getränk avanciert. Für den nötigen Rückenwind sorgt der aktuelle Wellness- und Gesundheitsboom: „Die Ernährungs- und Trinkgewohnheiten der Konsumenten haben sich in den vergangenen Jahren grundlegend verändert“, erklärt Katharina Kossdorf, Sprecherin des Forums Natürliches Mineralwasser. „Die Menschen wollen gesund, fit und schön bleiben.“ Mit ihren Slogans, die den „unverfälschten Genuss aus ursprünglicher Natur“ bemühen, den Hinweisen auf die enthaltenen Mineralstoffe und Spurenelemente, ist es den Marketingstrategen gelungen, diese Sehnsucht mit ihren Produkten erfolgreich zu besetzen. Über 48 Mio. Liter wurden im Vorjahr abgesetzt.

Auf den Geschmack gekommen

So ganz allein auf die Natur wollen sich die Abfüller dann aber doch nicht verlassen. Seit der Branchenprimus Vöslauer im Jahr 2000 mit „Balance“ das erste Near Water-Getränk – Mineralwasser mit Geschmackszusätzen – in Österreich eingeführt hat, bildet dieses Segment bei allen großen Abfüllern eine wichtige Absatzsäule. Ob Vöslauer, Römerquelle, Waldquelle oder Gasteiner – inzwischen überbieten sich die Hersteller in der Kreation möglichst exotischer Geschmacksrichtungen, von Weingarten-Pfirisch-Pimpernelle über Waldbeere-Pfeffer bis hin zu Kiwano oder Marula. Auf der anderen Seite ist auch die Nachfrage nach stillem Mineralwasser sprunghaft angestiegen. Laut Statistik des Fachverbandes der Nahrungs- und Genussmittelindustrie konnte der Absatz allein im vergangenen Jahr um 56,4 Prozent zulegen. Das aber könnte eine Entwicklung in Gang setzen, die den Mineralwasser-Produzenten weniger schmecken dürfte: den Trend zum Leitungswasser. „Vom stillen Wasser zum Wasser aus der Leitung ist es ja nur ein kleiner Schritt“, prognostiziert jedenfalls die Fernsehköchin Sarah Wiener. Selbstverständlich sollte das dann auch entsprechend stilvoll serviert werden. . .

("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.03.2008)

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